Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücktritt bzw. Widerspruch vom Lebensversicherungsvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Wirksamkeit der Abtretung des Rückabwicklungsanspruchs an einen Policenaufkäufer.

2. Eine Widerspruchsbelehrung im Policenmodell ist fehlerhaft, wenn dort der Fristbeginn allein an den Erhalt des Versicherungsscheins geknüpft ist. Dieser Belehrungsmangel ist nicht so geringfügig, dass er im Ergebnis folgenlos bliebe (Anschluss an BGH, Urteil vom 21.02.2024 - IV ZR 297/22; Aufgabe von OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.05.2023 - 12 U 208/22).

3. Der Versicherungsvertrag wurde im Antragsmodell gemäß § 8 Abs. 5 VVG geschlossen, wenn dem Versicherungsnehmer alle in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. genannten Unterlagen bei Antragstellung vorlagen. Dass die Garantiewerte in einem gesonderten Versicherungsvorschlag enthalten waren schadet nicht, sofern die Auslegung ergibt, dass es eine verbindliche Angabe war (Festhaltung an OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.03.2024 - 12 U 23/23).

 

Normenkette

VVG §§ 5a, 8

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 10.11.2023; Aktenzeichen 21 O 218/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 10.11.2023, Az. 21 O 218/22, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.610,11 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.06.2023 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 66 % und die Beklagte 34 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Rückabwicklungsansprüche nach Rücktritt bzw. Widerspruch bezüglich fünf Lebens- bzw. Rentenversicherungsverträgen. [Redaktionelle Ergänzung: Die Klägerin ist eine Policenaufkäuferin in der Rechtsform der GmbH, die Beklagte ein Lebensversicherer].

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 19.249,87 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.06.2023 zu zahlen.

Die Klägerin sei aufgrund wirksamer Abtretungen aktivlegitimiert. Alle streitgegenständlichen Verträge seien im Policenmodell zustande gekommen. Für den Vertrag -21 sei dies unstreitig; bei den übrigen Verträgen sei unstreitig, dass die Garantiewerte nach Abschnitt I Nr. 2 Buchst. b) und d) der Anlage Teil D zum VAG a.F. nicht bei Antragstellung, sondern erst mit der Übersendung der Versicherungsscheine mitgeteilt und die Versicherungsnehmer nicht gemäß den Anforderungen des § 5a VVG a.F. belehrt worden seien. Insbesondere die zum Vertrag -21 erteilte Widerspruchsbelehrung genüge den Anforderungen des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. nicht: Sie suggeriere entgegen der damals geltenden Rechtslage, dass es für den Fristbeginn nur auf den Zugang des Versicherungsscheines ankomme. Das sei ein erheblicher Belehrungsmangel. Verwirkung sei in keinem der streitgegenständlichen Fälle eingetreten, weil die dafür erforderlichen gravierenden Umstände nicht vorlägen. Die für die Berechnung maßgeblichen Rechenschritte und Zahlen seien unstreitig. Daraus ergebe sich ein Rückforderungsbetrag von insgesamt 19.249,87 EUR.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Sie hält daran fest, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei. Diese habe die Abtretungsvereinbarungen zwischen ihr und der P. GmbH nur unvollständig vorgelegt; die Beklagte könne deren Wirksamkeit somit nur mit Nichtwissen bestreiten, aber nicht prüfen. Die Abtretungen seien aber jedenfalls deshalb nach § 134 BGB unwirksam, weil sowohl die Klägerin als auch die P. GmbH nicht über die erforderliche Befugnis nach § 2 Abs. 1 RDG, sondern nur über eine eingeschränkte Inkassoerlaubnis nach § 10 Abs. 3 RDG verfügten. Zudem liege in beiden Gliedern der Abtretungskette ein sittenwidriges und deshalb nach §138 BGB nichtiges Wuchergeschäft vor.

Der Widerspruch bzw. Rücktritt zu den Verträgen mit den Endziffern -06, -21, -75 und -27 sei verfristet.

Die Belehrung zum Vertrag H. (Endziffern -21) genüge den Anforderungen des § 5a VVG a.F. Dass "nur" der Erhalt des Versicherungsscheins als fristauslösendes Element benannt sei, sei unschädlich. Da der Versicherungsnehmer - unstreitig - alle Unterlagen erhalten habe, sei die Information, dass die Widerspruchsfrist mit Erhalt des Versicherungsscheines beginne, nicht falsch. Hilfsweise handle es sich um einen geringfügigen und daher im Ergebnis folgenlosen Belehrungsmangel.

Die Verträge mit den Endziffern -06, -75 und -27 seien im Antragsmodell geschlossen worden. Entgegen dem angefochtenen Urteil sei nicht unstreitig, dass die Garantiewerte bei Antragstellung noch nicht übergeben worden seien. Die Beklagte habe hierzu bereits mit Schriftsatz vom 09.05.2023 unter Beweisantritt vo...

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