Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch bzw. Rücktritt beim Lebensversicherungsvertrag nach altem Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherungsvertrag wurde im Antragsmodell gemäß § 8 Abs. 5 VVG geschlossen, wenn dem Versicherungsnehmer alle in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. genannten Unterlagen bei Antragstellung vorlagen. Dass die Garantiewerte in einem gesonderten Versicherungsvorschlag enthalten waren schadet nicht, sofern die Auslegung ergibt, dass es eine verbindliche Angabe war.

2. Dass später mit dem Versicherungsschein abweichende Garantiewerte übermittelt wurden, führt nicht zur Anwendung des Policenmodells. Diese Änderung ist vielmehr nach § 5 VVG zu beurteilen.

3. Es ist daran festzuhalten, dass im Rahmen des § 8 Abs. 5 VVG a.F. eine Belehrung über die einzuhaltende Form nicht erforderlich war. Aus dem Urteil des EuGH vom 19. Dezember 2019 - C-355/18 u.a. - folgt nichts Anderes.

 

Normenkette

BGB § 150; VVG §§ 5, 5a Abs. 1 S. 1 aF, § 8 Abs. 5 aF

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 03.01.2023; Aktenzeichen 21 O 231/21)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.01.2023, Az. 21 O 231/21, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.767,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten aus 2.295,29 EUR seit dem 31.01.2019 und aus weiteren 2.471,75 EUR seit dem 07.02.2019 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Stufenklage auf der ersten Stufe (Auskunft) bezüglich der Verträge Nr. 6.1 084 645.47 und 6.2 100 563.00 erledigt hat.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 54 % und die Beklagte 46 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.192,79 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Rückabwicklungsansprüche nach Widerspruch bezüglich verschiedener Rentenversicherungsverträge. Gegenstand der Berufung ist nur der Vertrag Nr. ... -86.

Diesen Vertrag schloss der Versicherungsnehmer Bernd S. bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten ab. Es handelt sich um eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Beginn zum 01.12.1999. Das am 24.10.1999 unterzeichnete Antragsformular enthält am Ende, unmittelbar vor den Unterschriften, unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" zwei Absätze, deren zweiter wie folgt lautet:

Sie können innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins vom Versicherungsvertrag zurücktreten bzw. ihm widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung bzw. des Widerspruchs (§ 8 AVB).

Wegen der drucktechnischen Gestaltung wird auf Anlage B2a verwiesen.

Bei Antragstellung erhielt der Versicherungsnehmer außerdem einen Versicherungsvorschlag. (Muster Anlage B2h). Dieser enthielt Angaben zum garantierten Rückkaufswert und zur garantierten beitragsfreien Versicherungssumme. Dem Versicherungsschein vom 10.11.1999 war eine Anlage GW beigefügt, die andere Garantiewerte auswies als der Versicherungsvorschlag.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Klägerin macht geltend, ihr stünden nach Widerspruch und Abtretung Rückforderungsansprüche nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB zu. Sie hat zunächst eine Stufenklage erhoben, den auf der ersten Stufe gestellten Auskunftsantrag in erster Instanz für erledigt erklärt und die Ansprüche bezüglich des Vertrages mit den Endziffern -86 (Bernd S.) auf 3.192,79 EUR beziffert.

Das Landgericht hat der Klage wegen des Vertrages mit der Endziffer -86 (Bernd S.) stattgegeben. Zur Begründung hat es - soweit für die Berufung von Bedeutung - ausgeführt, der Vertrag sei im Policenmodell zustande gekommen, weil die Anlage GW erst mit dem Policenbegleitschreiben vollständig übersandt worden sei. Die dortige Widerspruchsbelehrung genüge den Anforderungen des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. nicht. Der Widerspruch habe deshalb auch im Jahr 2019 noch wirksam erklärt werden können; die Klägerin sei aufgrund der ebenfalls wirksamen Abtretung aktivlegitimiert.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen das erstinstanzliche Urteil, soweit sie wegen des Vertrages -86 (Bernd S.) verurteilt wurde.

Entgegen dem erstinstanzlichen Urteil sei der Vertrag im Antragsmodell zustande gekommen. Es sei unstreitig, dass sich in dem Vorschlag zum Antrag seinerzeit Angaben zu den garantierten Rückkaufswerten befunden hätten. Dass sich die Garantiewerte bis zur Policierung geändert hätten, sei auf den vom Antrag abweichenden Versicherungsbeginn zurückzuführen. Die Übermittlung einer korrigierten Garantiewerttabelle stelle keinen Fall des § 5a VVG a.F. dar, sondern sei nach § 5 VVG a.F. zu bewerten. Nach den Maßstäben des § 8 VVG a.F. sei die Belehrung nicht zu beanstanden. Im Übrigen greife der Einwan...

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