Leitsatz (amtlich)
1. Eine Handlung im natürlichen Sinn kann nicht mit der Erwägung verneint werden, die Verletzung (in ihrer Schwere) sei unabsichtlich erfolgt. Die Verletzungshandlung als solche indiziert ihre Rechtswidrigkeit und die objektive Sorgfaltsverletzung das entsprechende, für die Haftung vorausgesetzte Verschulden vorausgesetzte Verschulden i.S.v. § 823 BGB.
2. Die Bemessung von Schmerzensgeldansprüchen ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist deshalb wegen der Beschränkung des Berufungsgerichts auf die Kontrolle von Rechtsfehlern (§ 513 ZPO) nur darauf zu überprüfen, ob die Festsetzung Rechtsfehler enthält, sich mit allen für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandersetzt und um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zur Art und Dauer der Verletzung bemüht hat.
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Urteil vom 05.11.2002; Aktenzeichen 1 O 299/01) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Baden-Baden vom 5.11.2002 - 1 O 299/01 - im Kostenausspruch aufgehoben und in Ziff. 2 des Urteilsausspruchs wie folgt geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 23.000 Euro nebst 4 % Zinsen seit 30.3.2001 zu zahlen.
Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Höhe des ihm vom LG unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 25 % zuerkannten Schmerzensgeldes von 17.250 Euro und meint, selbst bei einem Mitverschulden von 1/4 habe er Anspruch auf mindestens den von ihm im ersten Rechtszug als Mindestforderung angegebenen Betrag von 23.008 Euro (45.000 DM).
Der Beklagte wendet sich gegen die Beweiswürdigung des LG, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen verwiesen wird, rügt die Unvollständigkeit der in die Beweiswürdigung eingeflossenen Tatsachen und hält jedenfalls das Mitverschulden des Klägers an der angeblichen Verletzung (Augapfelzerreißung mit der Folge einer Visusminderung auf 10 %) für so überwiegend, dass eine Haftung nicht mehr in Betracht komme. Außerdem sei das Schmerzensgeld zu hoch.
II. 1. Berufung des Beklagten:
a) Das LG hat sich aufgrund des unstreitigen augenärztlichen Gutachtens M.-J. vom 6.9.1999 davon überzeugt, dass die Bulbusruptur (Augapfelzerreißung) durch eine stumpfe Gewalteinwirkung verursacht worden ist, und nach fehlerfreier, keine Zweifel an ihrer Richtigkeit weckenden Feststellung davon, dass diese Verletzung durch den Beklagten im Zug der (im Übrigen unstreitig stattgefundenen) körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien vom Beklagten verursacht worden ist. Die vorgenommene Würdigung der Aussage der Zeugen G. und S., dass das Auge bei dieser Auseinandersetzung verletzt worden ist und deshalb mangels anderer, auch von den Beklagten nicht aufgezeigter Anhaltspunkte durch diesen, ist naheliegend, richtig und bindet den Senat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Auch die Zeugin B. hat einen nicht besonders leichten Schlag des Beklagten geschildert. Entgegen der Darstellung in der Berufungsbegründung stellt das LG nicht fest, diese Zeugin habe von einem Faustschlag gesprochen (vgl. nur den vom Beklagten selbst zitierten S. der Entscheidungsgründe).
b) Ob dieser Schlag gezielt war, ist ohne Bedeutung für die Haftung des Beklagten. Eine Handlung im natürlichen Sinn kann nicht mit der Erwägung verneint werden, die Verletzung (in ihrer Schwere) sei unabsichtlich erfolgt. Die Verletzungshandlung als solche indiziert ihre Rechtswidrigkeit und die objektive Sorgfaltsverletzung das entsprechende, für die Haftung vorausgesetzte Verschulden (§§ 823, 276 BGB; BGH v. 11.3.1986 - VI ZR 22/85, MDR 1986, 924 = NJW 1986, 2757 [2758]; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, 2. Aufl., § 276 Rz. 8). Wer einen anderen schlägt und ihn dabei verletzt, hält die erforderliche Sorgfalt (§ 276 BGB) nicht ein, die ihm gebietet, einen anderen nicht körperlich zu beschädigen, und handelt deshalb unter Außerachtlassung der sog. verkehrsüblichen Sorgfalt, also fahrlässig. Ob der Beklagte vorsätzlich gehandelt hat, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erörterung.
c) Rechtsfehlerfrei hat das LG ferner eine Notwehrhandlung des Beklagten für nicht erwiesen gehalten. Die Berufungsbegründung verkennt, dass Zweifel an der Rechtswidrigkeit der unerlaubten Handlung - selbst wenn sie ernstlich bestünden - nicht dazu führen könnten, Notwehr anzunehmen, weil - worauf schon das LG hinweist - der Beklagte die Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes zu beweisen hat. Schon deshalb ist ohne Bedeutung, da...