Leitsatz (amtlich)

Selbst noch nach Eintritt von Vermögenslosigkeit und/oder Löschung der Hauptschuldnerin im Handelsregister kann sich ein Bürge gem. § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Verjährung der Hauptforderung berufen. Dies gilt auch bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft.

 

Normenkette

BGB § 768 Abs. 1 S. 1, § 773 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 30.09.2005; Aktenzeichen 8 O 82/05)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 511.291,88 EUR bestimmt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Zahlung aufgrund Bürgschaft.

Die klagende Bank [damals noch firmierend unter "V. M. e.G."] gewährte der Firma I. GmbH, (im Folgenden: Hauptschuldnerin), am 11.3.1997 ein Darlehen i.H.v. 2.300.000 DM (= 1.175.971,30 EUR). Die beiden als Gesellschafter an der Hauptschuldnerin beteiligten Beklagten, von denen unstreitig jedenfalls der Beklagte Ziff. 1 auch deren Geschäftsführer war, übernahmen zur Besicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zu einem Betrag i.H.v. 1 Mio. DM (= 511.291,88 EUR).

Im September 2001 kündigte die Klägerin die Geschäftsbeziehung zur Hauptschuldnerin und forderte diese unter Fristsetzung zum 10.11.2001 zur Zahlung auf. Mit Beschluss des AG - Insolvenzgericht - Mannheim vom 21.8.2002 - IN 352/01 - wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hauptschuldnerin mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen. Die Gesellschafterversammlung beschloss am 15.8.2002 die Liquidation der zuletzt unter "R. Bauträger GmbH i.L." firmierenden Gesellschaft, was am 27.11.2002 im Handelsregister eingetragen wurde. Eine Löschung der Hauptschuldnerin ist dort bis dato nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 17.11.2004 nahm die Klägerin die Beklagten aus der Bürgschaft in Anspruch und forderte sie unter Fristsetzung zum 27.11.2004 zur Zahlung auf. Am 15.12.2004 beantragte die Klägerin gegen die Beklagten den Erlass eines Mahnbescheids, was auch am 28.12.2004 erfolgte. Der Mahnbescheid, gegen den die Beklagten später Widerspruch einlegten, wurde ihnen am 30.12.2004 zugestellt. Verjährungsunterbrechende Maßnahmen mit Blick auf die Hauptschuldnerin wurden nicht ergriffen.

Die Klägerin behauptet, die Forderung aus dem Darlehen habe zum Zeitpunkt der Kündigung der Geschäftsbeziehungen zu der Hauptschuldnerin 1.923.435,88 DM (= 983.437,10 EUR) betragen.

Das LG hat die Klage auf Zahlung von 511.291,88 EUR zzgl. Verzugszinsen und vorgerichtlichen Kosten abgewiesen. Die Bürgschaftsverträge der Klägerin mit den Beklagten seien zwar wirksam. Die Beklagten hätten sich aber mit Erfolg gem. § 768 BGB auf Verjährung der besicherten Verbindlichkeit der Hauptschuldnerin berufen. Hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen, der Entscheidungsgründe sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen. Änderungen oder Ergänzungen sind nicht veranlasst.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Ein Bürge könne nicht die Verjährungseinrede des Hauptschuldners erheben, wenn dies dem der Bürgschaft zugrunde liegenden Sicherungszweck widerspreche. Beim Untergang des Hauptschuldners wegen Vermögenslosigkeit bleibe die Bürgschaft als selbständige Forderung bestehen, und dem Bürgen stünden nicht mehr die Einreden des Hauptschuldners zu. Eine Klageerhebung zwecks Verjährungsunterbrechung ggü. der Hauptschuldnerin sei im Hinblick auf deren durch Ablehnung einer Insolvenzeröffnung amtlich dokumentierte Vermögenslosigkeit unzumutbar gewesen. Daher sei es ausreichend gewesen, dass die Klägerin gegen die Beklagten als Bürgen zu einem Zeitpunkt verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen habe, in dem die Hautforderung noch nicht verjährt gewesen sei. Die noch nicht erfolgte Löschung der Hauptschuldnerin im Handelsregister stelle daneben nur einen weiteren Fall einer solchen Unzumutbarkeit verjährungsunterbrechender Maßnahmen gegen den Hauptschuldner dar. Im Übrigen sei eine Besserstellung des Bürgen im Falle der Abweisung des Insolvenzantrags im Vergleich zur Insolvenzeröffnung nicht gerechtfertigt.

Die Hauptschuldnerin sei auch völlig vermögenslos. Zwar sei sie noch Eigentümerin von Grundbesitz mit einem Beleihungswert von zusammen 4.715.440,40 EUR. Die mit Grundpfandrechten belasteten Immobilien besicherten aber einen Kredit i.H.v. 6.486.245,03 EUR. Unter diesen Umständen sei das Ergreifen verjährungshemmender Maßnahmen ggü. der Hauptschuldnerin in un...

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