Leitsatz (amtlich)
Ein Rechtsanwalt, der von seinem Mandanten einen Geldbetrag treuhänderisch zur Stellung einer Prozesssicherheit erhalten hat, ist im Hinblick auf die Natur des Treuhandverhältnisses und den Sinn und Zweck des Auftrags unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch nach Wegfall des Sicherungszwecks gehindert, ggü. dem Anspruch des Mandanten auf Auszahlung des verbleibenden überschießenden Betrags mit Honoraransprüchen aus anderen Tätigkeiten aufzurechnen.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 22.06.2000; Aktenzeichen 3 O 70/01) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 22.6.2000 - 3 O 70/01 - wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere 1.533,88 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 19.12.2001 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gem. § 25 Abs. 2 GKG bis zum 29.11.2001 auf 6.135,50 Euro und ab dem 30.11.2001 auf 7.669,38 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts in U./Tschechien zum Konkursverwalter über das Vermögen der Firma F. bestellt. Er macht gegen den Beklagten im Wege der Teilklage eine Forderung von zuletzt 7.669,38 Euro geltend. Die Fa.F. ist ihrerseits Rechtsnachfolgerin der am 31.5.1993 gelöschten Fa. I. geworden. Der Beklagte ist einer Anwaltssozietät H & Partner als Rechtsanwalt tätig. In dieser Eigenschaft nahm er in den Jahren 1992/1993 zwei verschiedene rechtliche Angelegenheiten für die Fa. I. wahr.
Die Fa. I. führte vor dem LG L. einen Rechtsstreit gegen die Fa.M. Das LG verurteilte I. mit Zwischenurteil zur Stellung einer Ausländersicherheit zur Deckung der voraussichtlich anfallenden Prozesskosten i.H.v. 60.000 DM. Aufgrund einer Vereinbarung vom 20.11.1992, die ihrem Wortlaut nach zwischen der Fa. I. und Rechtsanwälten H. zustande kam, überließ die Fa. I. "Rechtsanwälten H. 60.000 DM zu treuen Händen." Der Beklagte legte vereinbarungsgemäß den Geldbetrag bei einer Sparkasse als Festgeld an. Nach Beendigung dieses Rechtsstreits kehrte der Beklagte zur Tilgung der von der Fa. I. der Fa.M. gem. Kostenfestsetzungsbeschluss zu entrichtenden Prozesskosten einen Betrag i.H.v. 8.080,35 DM an die Prozessbevollmächtigten der Fa.M. aus. Den Restbetrag i.H.v. 53.442,88 DM zahlte der Beklagte nicht an die Fa. I. zurück, sondern verrechnete diesen mit Honoraransprüchen, die er in einer Angelegenheit I./R. mit Kostenrechnung vom 5.2.1993 abgerechnet hatte. Die in der genannten Honorarrechnung aufgeführte Forderung von 56.243,05 DM stützt der Beklagte auf eine außergerichtliche Vertretung der Fa. I. ggü. dem Zollamt P. auf Herausgabe von sichergestellten Farbedelsteinen im Gewicht von angeblich 101 kt.
Rechtsanwalt R., der den Kläger außergerichtlich vertritt, hat in einem vor dem LG K. geführten Verfahren einen Teilbetrag i.H.v. 15.000 DM gegen den Beklagten geltend gemacht und sich auf einen Abtretungsvertrag mit der Fa.F. vom 21.1.1994 berufen. Die Klage wurde in beiden Instanzen mangels Nachweises einer wirksamen Abtretung abgewiesen. Hierauf hat der Kläger als Konkursverwalter über das Vermögen der Fa. F. im vorliegenden Verfahren zunächst Teilklage i.H.v. 12.000 DM erhoben.
Das LG hat im Hinblick auf die treuhänderische Überlassung des als Ausländersicherheit gestellten Betrages von 60.000 DM eine Aufrechnung- bzw. Verrechnungsbefugnis des Beklagten mit möglichen Honoraransprüchen aus anderen Mandaten verneint und der vom Kläger erhobenen Zahlungsklage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der von ihm form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger hat im Verlaufe des Berufungsverfahren die Klage erweitert und begehrt nunmehr Zahlung von 7.669,38 Euro nebst Zinsen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten, für die gem. § 26 Nr. 5 EGZPO ebenso wie für die Anschlussberufung des Klägers die am 31.12.2001 geltenden Vorschriften der ZPO weiter gelten, hat in der Sache keinen Erfolg. Dagegen ist die gem. § 521 Abs. 1 ZPO a.F. zulässige Anschlussberufung des Klägers, mit der er die Klage um einen Betrag von 1.533,88 Euro erweitert hat, weitgehend begründet.
I. Die Klage ist zulässig.
Der Kläger ist prozessführungsbefugt. Dies ist Prozessvoraussetzung, damit Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage und von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., vor § 50 Rz. 19). Der Beklagte hat bereits in erster Instanz vorgetragen, dass der Kläger als Konkursverwalter nicht zur Geltendmachung der Forderung berechtigt sei und diese Rüge in der Berufung aufrechterhalten. Die Rüge greift jedoch nicht durch. Der Kläger ist als Verwalter im Konkurs über das Vermögen der tschechischen Fa. F. befugt, die Forderung der Gemeinschuldnerin ...