Leitsatz (amtlich)
1. Die Darlegungs- und Beweislast für die Autorisierung eines Zahlungsvorgangs außerhalb des Anwendungsbereichs des § 675w BGB trifft den Zahlungsdienstleister; dies gilt unabhängig davon, ob der Zahlungsdienstleister einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 675u Satz 1 BGB) oder der Zahler einen Erstattungsanspruch (§ 675u Satz 2 BGB) geltend macht.
2. § 675v Abs. 2 BGB in der bis zum 12. Januar 2018 geltenden Fassung vom 29. Juli 2009 erfasst auch eine Autorisierung per E-Mail und regelt die Haftung des Zahlers insoweit abschließend.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 30. November 2020 - 4 O 88/18 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 255.395,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17. Oktober 2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Rückzahlungsansprüche wegen mutmaßlich nicht autorisierter Überweisungen.
Die Klägerin, die der deutschen Sprache nicht mächtig ist, schloss am 14. November 2007 mit der Beklagten einen Kundenstamm-Vertrag (Anlage B3). Darin wurde die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Fassung April 2002) der Beklagten (Anlage B16) und der Sonderbedingungen für den Überweisungsverkehr (Anlage B17) vereinbart. Diese wurden der Klägerin bei Vertragsschluss nicht ausgehändigt, wären ihr nach dem Wortlaut des Vertrags aber auf Verlangen ausgehändigt worden.
Dem Vertragsschluss ging ein Gespräch zwischen der Klägerin und einem Mitarbeiter der Beklagten in den Geschäftsräumen der Beklagten in B.-B. voraus, das in deutscher Sprache geführt und vom ehemaligen Geschäftspartner der Klägerin, A. S., der diese bei dem Gespräch begleitet hat, für die Klägerin übersetzt wurde.
Auf Grundlage des Stammvertrags eröffnete die Klägerin am 15. November 2007 das Girokonto Nr. ... und am 20. Mai 2010 ein Tagesgeldkonto Nr. ... bei der Beklagten.
In § 7 der in den Kunden-Stammvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Fassung April 2002) heißt es:
"(1) Erteilung der Rechnungsabschlüsse
Die Bank erteilt bei einem Kontokorrentkonto, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, jeweils zum Ende eines Kalenderquartals einen Rechnungsabschluss; dabei werden die in diesem Zeitraum entstandenen beiderseitigen Ansprüche (einschließlich der Zinsen und Entgelte der Bank) verrechnet. Die Bank kann auf den Saldo, der sich aus der Verrechnung ergibt, nach Nr. 12 dieser Geschäftsbedingungen oder nach der mit dem Kunden anderweitig getroffenen Vereinbarung Zinsen berechnen.
(2) Frist für Einwendungen; Genehmigung durch Schweigen
Einwendungen wegen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit eines Rechnungsabschlusses hat der Kunde spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach dessen Zugang zu erheben; macht er seine Einwendungen schriftlich geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung. Auf diese Folge wird die Bank bei Erteilung des Rechnungsabschlusses besonders hinweisen. Der Kunde kann auch nach Fristablauf eine Berichtigung des Rechnungsabschlusses verlangen, muss dann aber beweisen, dass zu Unrecht sein Konto belastet oder eine ihm zustehende Gutschrift nicht erteilt wurde."
In § 11 Abs. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen heißt es weiter:
"Prüfung und Einwendungen bei Mitteilungen der Bank
Der Kunde hat Kontoauszüge, Wertpapierabrechnungen, Depot- und Erträgnisaufstellungen, sonstige Abrechnungen, Anzeigen über die Ausführung von Aufträgen und Überweisungen sowie Informationen über erwartete Zahlungen und Sendungen (Avise) auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit unverzüglich zu überprüfen und etwaige Einwendungen unverzüglich zu erheben."
Ab 2009 war der Mitarbeiter der Beklagten R. K. der für die Klägerin zuständige Kundenbetreuer. Die Kommunikation zwischen ihm und der Klägerin fand überwiegend per E-Mail und in englischer Sprache statt. Die Klägerin erteilte ab 2010 in unregelmäßigen Abständen Überweisungsaufträge. Sie schrieb dabei jeweils eine E-Mail von der Adresse "...@googlemail.com" an Herrn R. K. und nannte ihm darin den zu überweisenden Betrag und den Zahlungsempfänger. Teilweise waren den E-Mails auch die zu bezahlenden Rechnungen angehängt. Herr R. K. veranlasste die Zahlungen jeweils und bestätigte die Ausführung per E-Mail.
Am 17. Oktober 2011 teilte Herr R. K. der Kläge...