Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassung

 

Leitsatz (amtlich)

Die unentgeltliche Verteilung einer anzeigenfinanzierten Sonntagszeitung ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG, etwa wenn die Gratisverteilung auf eine Behinderung entweder des individuellen Wettbewerbs im Sinne eines Vernichtungswettbewerbs gerichtet ist oder eine allgemeine Marktstörung in der Form einer Gefährdung des Bestandes des Wettbewerbs einer bestimmten Branche zur Folge hat.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. KfH des Landgerichts Freiburg vom 15.04.1999 – 12 O 68/98 – wird als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 16.500,00 abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Beide Parteien können die Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische, unbefristete Bürgschaften eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbringen.

4. Die Beschwer der Klägerin übersteigt den Betrag von DM 60.000,000.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf DM 1 Mio. festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin verlegt u. a. die bundesweit vertriebenen Sonntagszeitungen „B.” und „W.”. Die Beklagte gibt seit November 1997 eine Sonntagszeitung unter dem Titel „Z.” heraus. Dieses Blatt wird ausschließlich über Anzeigen finanziert und kostenlos im Raum Freiburg und Umgebung in einer Auflagenhöhe von anfänglich 120.000, nunmehr 155.000 Exemplaren durch Hausverteilung und über Auslagenstellen wie Bäckereien, Sportstätten, öffentliche Einrichtungen, Tankstellen und Gaststätten in Umlauf gebracht. Nach äußerem Erscheinungsbild und Inhalt handelt es sich um eine Leserzeitung. Sie umfaßt in der Regel 40 Seiten und enthält redaktionelle Beiträge zu regionalen und überregionalen Themen, eine umfangreiche Sportberichterstattung sowie einen ausführlichen Veranstaltungskalender. Die Anzeigen nehmen ca. ¼ des Umfangs des Blattes ein.

Die Klägerin hat in der ersten Instanz geltend gemacht, die kostenlose Verteilung der „Z.” sei unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer gegen § 1 UWG verstoßenden Marktstörung und eines gezielten Behinderungswettbewerbs unzulässig. Ungeachtet der bislang nur regionalen Verbreitung der „Z.” würden zwischenzeitlich 50 % der Geschäftsanteile der Beklagten von der G. AG & Co. Druck- und Verlagshaus gehalten, an der zu 74,9 % die B. AG als einer der größten Medienkonzerne der Welt beteiligt sei. Obwohl über Anzeigen finanziert, stelle die „Z.” nach Charakter und Anspruch eine echte Leserzeitung und kein Anzeigenblatt dar. Dies habe auch eine im Zeitraum vom 12. – 16.01.1998 durch das IFAK-Institut GmbH & Co. durchgeführte repräsentative Befragung von 300 Lesern von „B.” bestätigt (Anlagen K 16 – K 19). Unabhängig davon, daß der Klägerin mit ihren beiden Zeitungen „B.” und „W.” auf dem Markt von Sonntagszeitungen keine Monopolstellung in Deutschland zukomme, hätte die Zulassung eines kostenlosen Vertriebs von Sonntagszeitungen nicht nur Auswirkungen auf den Vertrieb der Sonntagsblätter der Klägerin, sondern auf den gesamten Markt von Sonntagszeitungen und mittelfristig möglicherweise sogar – u. a. durch eine Übertragung des Konzepts der Beklagten auf die anderen Wochentage, was die Titelschutzanzeige Anlage K 43 befürchten lasse – auf den ganzen Zeitungsmarkt. Insbesondere sei auch das von der Klägerin über Jahrzehnte aufgebaute besondere Vertriebssystem ihrer Sonntagszeitungen in seinem Bestand gefährdet. Schon jetzt zeigten sich erhebliche Auswirkungen der massenweisen unentgeltlichen Verbreitung der „Z.” auf die Verkaufsentwicklung der Verlagsprodukte der Klägerin. Trotz verstärkter gezielter Werbemaßnahmen der Klägerin im Vertriebsgebiet der „Z.” und einer Erhöhung der Verkaufsstellen, was erfahrungsgemäß unter normalen Umständen eine deutliche Erhöhung des Absatzes hätte erwarten lassen, belege ein Vergleich der Ausgaben 45/96 bis 16/97 mit den Ausgaben 45/97 bis 16/98, daß bei „B.” die verkaufte Auflage in Freiburg-Stadt nur um 0,25 % und im Umland von Freiburg um 4,99 % angestiegen sei. Bei „W.” sei der Absatz in Freiburg-Stadt sogar um 4,59 % gesunken, während im Umland ein Anstieg um 4,68 % zu verzeichnen sei (Anlage K 24). Dies beweise die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, daß die Hauszustellung der „Z.”, die die Beklagte auf das Stadtgebiet Freiburg konzentriere, dem Leser den Weg zum Kiosk buchstäblich abschneide und damit eine Gefährdung des Absatzes der Produkte der Klägerin einhergehe, die bei einem entgeltlichen Vertrieb der „Z.” nicht eintreten würde. Dasselbe negative Ergebnis belege auch ein entsprechender Vergleich der Verkaufsentwicklung der im Vertriebsgebiet der Zeitung der Beklagten im ambulanten Sonntagshandel vertriebenen „B.” mit dem übrigen Gebiet von Baden-Württemberg, wo ein Aufla...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge