Leitsatz (amtlich)

1. Der Antrag auf Feststellung, "dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation" eines konkret benannten Fahrzeuges durch die Beklagte resultieren, ist grundsätzlich auslegungsfähig.

2. Die unternehmerische Strategieentscheidung, einen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Motor in unterschiedliche Fahrzeugtypen eigener Konzernunternehmen einzubauen und diese sodann mit einer erschlichenen Typgenehmigung in Verkehr zu bringen, ist sittenwidrig und kann zu einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB iVm § 31 BGB analog führen.

3. Verteidigt sich eine Beklagte gegen schlüssigen Klägervortrag zum subjektiven Tatbestand des § 826 BGB lediglich damit, "nach dem aktuellen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinne an der Entwicklung der Software beteiligt waren oder die Entwicklung oder Verwendung der Software ... seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt" hätten, liegt darin ein unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO. Dies führt dazu, dass der klägerische Sachvortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, ohne dass es auf die Grundsätze der sekundären Darlegungslast ankommt.

4. Ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV) führt nicht gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug, dessen Motorsteuerung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist.

5. Der Hersteller eines Fahrzeugs oder Motors mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist im Verhältnis zum Händler Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB. Seine Kenntnis wird dem Händler nicht zugerechnet.

6. Zur Unwirksamkeit einer Rücktrittserklärung nach Verjährung des zugrundeliegenden Nacherfüllungsanspruchs im Rahmen des sog. Abgasskandals.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 29. Juni 2018 - 2 O 416/16 - wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten Ziff. 2 gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 29. Juni 2018 - 2 O 416/16 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des landgerichtlichen Tenors wie folgt neu gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte Ziff. 2 verpflichtet ist, der Klägerin Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Installation derjenigen Software in der Motorsteuerung des in dem Fahrzeug Sk. Octavia 2,0 TDI, FIN: TMBHE61Z5C2143166 verbauten Motors EA 189 resultieren, bei der es sich nach Ansicht des Kraftfahrbundesamtes gemäß Bescheid vom 15. Oktober 2015 gegenüber der Beklagten Ziff. 2 um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.

3. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin und die Beklagte Ziff. 2 je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 1 trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 2 trägt diese selbst.

4. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung der jeweiligen Vollstreckungsgläubigerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

6. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis 35.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag über ein von dem sog. "Abgasskandal" betroffenes Fahrzeug.

Die Beklagte Ziff. 2 stellte unter der Bezeichnung "EA 189" einen Dieselmotor her, in dessen Motorsteuerung eine zuvor in Kooperation mit der R. B. GmbH entwickelte Software zur Abgassteuerung installiert wurde. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. In dem im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimierten "Modus 1", der beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ) automatisch aktiviert wird, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Bei im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Fahrbedingungen ist der partikeloptimierte "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und damit zu einem höheren Stickoxidausstoß führt.

Der o.g. Dieselmotor wurde auf Veranlassung des Vorstands der Beklagten Ziff. 2 nicht nur in diversen Fahrzeugtypen der Beklagten Ziff. 2, sondern auch in solchen der zum V.-Konzern gehörenden Unternehmen verbaut, u.a. auch in von der S. Auto a.s. (im Folgenden: Sk.) hergestellten Fahrzeugen.

Auf Grundlage der Bestellung vom 16. September 2011 (Anlage K 1) kaufte der am 10. September 2016 verstorbene und von der ...

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