Leitsatz (amtlich)
1. Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ ist in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 CMR eine die (internationale) Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründende Bestimmung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ. Es kommt daher nicht darauf an, ob sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt oder nicht.
2. Zu den Voraussetzungen der Vereinbarung der ADSp mit einem italienischen Absender durch dessen konkludente Zustimmung.
Normenkette
EuGVÜ Art. 20 Abs. 11, Art. 57 Nr. 1; CMR Art. 31; ADSp § 2
Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 5 O 102/00) |
Tatbestand
Die Klägerin, eine deutsche Spediteurin, nimmt die Beklagte, eine italienische Aktiengesellschaft, die Wohnmöbel herstellt und exportiert, auf Bezahlung ausstehender Frachtforderungen für den Transport von Möbeln aus Italien zu verschiedenen deutschen Empfängern in Anspruch. Der Transport wurde zu pauschalierten Tarifen abgerechnet. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass das LG Offenburg gem. Art. 31 CMR international zuständig ist. Aufgrund der langjährigen Vertragsbeziehungen seit mindestens 1999, bei denen die Rechnungen immer mit dem Vermerk versehen gewesen seien, dass die Klägerin nach den allgemeinen deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) arbeite, die Rechnungen von der Beklagten auch immer anstandslos beglichen worden seien, sei davon auszugehen, dass die ADSp zwischen den Parteien wirksam vereinbart worden seien. Die Aufrechnung der Beklagten mit angeblichen Schadensersatzansprüchen aus anderen Transportverträgen sei gem. Nr. 19 ADSp unzulässig.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Gemäß Art. 31 Abs. 1 S. 1b CMR sind die deutschen Gerichte international zuständig, weil sämtliche der eingeklagten Frachtrechnungen sich auf CMR-Transporte beziehen, bei denen der Ablieferungsort sich in Deutschland befand.
Die CMR ist ein Übereinkommen i.S.d. Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ, weil Italien und Deutschland dem Abkommen angehören und in der CMR für das Gebiet des Frachtwesens die gerichtliche Zuständigkeit geregelt ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 57 Abs. 2, lit. a, S. 2 EuGVÜ, worin bestimmt ist, dass in jedem Fall ein Gericht, das seine Zuständigkeit auf ein solches Übereinkommen stützt, Art. 20 des EuGVÜ anzuwenden hat. Dies folgt schon aus dem Eingangssatz des zweiten Absatzes, nach dem diese Regelung eingeführt worden ist, um eine einheitliche Auslegung des Abs. 1 zu sichern. Daraus folgt, dass der Beklagte nicht etwa dadurch die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts herbeiführen darf, dass er sich nicht auf das Verfahren einlässt. Eine solche Auslegung hätte keinerlei Rechtfertigung in Bezug auf den Gesetzeszweck, die einheitliche Auslegung des Abs. 1 des Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ zu sichern. Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ ist daher dahin gehend auszulegen, dass er ebenfalls eine Zuständigkeitsregelung i.S.d. Art. 20 Abs. 1 EuGVÜ ist. Wenn es dort heißt, das Gericht hat sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht aufgrund der Bestimmungen dieses Übereinkommens begründet ist, so darf nach keiner der Vorschriften des EuGVÜ eine gerichtliche Zuständigkeit gegeben sein. Nach Art. 57 EuGVÜ ist jedoch ein Gericht, das nach den dort angesprochenen Übereinkommen (hier der CMR) als zuständig angesehen wird, auch zuständig nach dem EuGVÜ.
Es bleibt daher bei der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, weil die Ablieferungsorte in Deutschland gelegen sind. Dies entspricht der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur (vgl. die weiteren Nachweise in der Entscheidung des OLG Hamm v. 25.6.2001 – 18 U 33/00, OLGReport Hamm 2001, 333 [334]). Dieser Ansicht hat sich auch das OLG Schleswig angeschlossen (OLG Schleswig, TransportR 2002, 76 f.). Die abweichende Ansicht (vgl. OLG München TransportR 2001, 399 ff.; und OLG Dresden TransportR 1999, 62 ff.) verkennt die den Regelungen der Art. 57 und 20 EuGVÜ zugrunde liegenden Gesetzeszwecke. Da nach Ansicht des Senats auch die Regelung des Art. 57 EuGVÜ eine im Rahmen des Art. 20 EuGVÜ zu berücksichtigende Zuständigkeitsregelung enthält, ist auch nach dem Wortlaut kein Widerspruch der Regelungen des EuGVÜ gegen die Anwendung der CMR im Falle der Nichteinlassung des Beklagten gegeben.
Mit Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 1 CMR Rz. 3, ist davon auszugehen, dass die Klägerin als Fixkostenspediteurin auch unabhängig von der Regelung des § 459 HGB als carrier i.S.d. CMR anzusehen ist, weil sonst das Ziel des Abkommens, das Recht des internationalen Transports zu vereinheitlichen, nur unvollständig erreicht würde. Es handelt sich also um eine direkte Anwendung der CMR. Die von Koller (Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 31 CMR Rz. 1 letzter Abs.) aufgeführte Ausnahme von der Anwendbarkeit des Art. 31 CMR, die zur Zuständigkeitsbestimmung nach den allgemeinen Regeln des EuGVÜ führen würde, liegt also nicht vor.
Nach § 512a ZPO a.F. ist dem Senat die Prüfung der Frage, ob das LG Offenburg zu Recht seine örtliche Zuständigkeit ange...