Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung: Benachteiligungsvorsatz bei mittelbarer Gläubigerbenachteiligung
Leitsatz (amtlich)
Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz ist nur dann zu bejahen, wenn der Schuldner die Rechtshandlung als solche vorsätzlich vornimmt und bei ihrer Vornahme erkennt und billigt, dass diese Rechtshandlung in der Insolvenz (irgend-)eine gläubigerbenachteiligende Wirkung zeitigen kann. Wird diese Benachteiligung nur durch § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bewirkt, kann ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz beim Schuldner nur vorhanden sein, wenn er bei Vornahme des Rechtsgeschäfts um eine solche Wirkung weiß und sie billigend in seine Überlegungen einbezieht.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urkunden-Vorbehaltsurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13. August 2010 - 13 O 41/10 KfH I - unter Aufrechterhaltung der Kostenentscheidung mit folgendem Inhalt für vorbehaltlos erklärt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
a) 386.755,90 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. hieraus ab dem 29. September 2009 einschließlich,
b) 720.524,80 EUR nebst Zinsen aus 718.508,61 EUR in Höhe von p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. aus 718.508,61 EUR ab dem 15. Oktober 2009 einschließlich,
c) 718.508,61 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. hieraus ab dem 4. November 2009 einschließlich,
d) 438.431,57 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von p.a. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, mindestens aber 9% p.a. hieraus ab dem 4. Dezember 2009 einschließlich
zu zahlen.
2. In Höhe von 362.345,71 EUR ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten - Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der A AG (im Folgenden auch: Insolvenzschuldnerin oder Schuldnerin), das mit Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 1. September 2009 eröffnet wurde - Mietzinsansprüche für den Zeitraum von September 2009 bis Dezember 2009 geltend.
1. Die Klägerin ist eine von insgesamt fünf (Schwester-)Gesellschaften bürgerlichen Rechts, welche Warenhausimmobilien - in K., P., L., M. und W. - aus dem Konzern herauskauften. Der Klägerin gehören in K. die Grundstücke ... . Sie hat diese Grundstücke vermietet. Mieterin dieser Grundstücke war aufgrund Mietvertrags vom 8. September 2005 die Vermietungsgesellschaft mbH. Bei dieser handelte es sich um eine vollständig integrierte Konzerngesellschaft ohne eigenes Personal; ihre Geschäftsführer waren weisungsabhängige Angestellte der A AG. Durch einen 3. Nachtrag vom 29./30. September 2008 zum vorbezeichneten Mietvertrag trat die A AG, welche bis dahin aufgrund eines am 13. Dezember 2002 geschlossenen Mietverschaffungs- und Einstandspflichtvertrags dafür einzustehen hatte, dass die Vermietungsgesellschaft mbH ihre Mieterpflichten erfüllt, anstelle der als Mieterin ausscheidenden Vermietungsgesellschaft mbH als neue Mieterin in den Mietvertrag ein (im Folgenden auch: Vertragsübernahme). Die monatliche Kaltmiete belief sich auf 672.922,08 EUR (netto) beziehungsweise 800.777,28 EUR (brutto). Als monatliche Nebenkostenvorauszahlung waren 14.200,00 EUR (netto) beziehungsweise 16.898,00 EUR (brutto) zu entrichten. Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO zum 31. Dezember 2009.
Die A AG überließ die Grundstücke mit den von der Klägerin errichteten Gebäuden teilweise ihrer Konzerngesellschaft W. GmbH zum Betrieb eines Sporthauses und vermietete sie im Übrigen an Dritte weiter. Die Warenhäuser und Sporthäuser der W. GmbH, über deren Vermögen ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, werden ungeachtet der Insolvenzeröffnung weiterbetrieben. Die Vermietungsgesellschaft mbH, deren Aktiva im Wesentlichen aus Forderungen gegen die Muttergesellschaft, das heißt die A AG bestehen, ist inzwischen ebenfalls insolvent.
2. Das Landgericht hat der im Urkundenprozess erhobenen Klage antragsgemäß stattgegeben und in dem vom Beklagten mit der Berufung angefochtenen "Urkunden-Vorbehalts-Urteil" vom 13. August 2010, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, soweit sie mit den hier getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, wie folgt tenoriert:
1. Der Beklagte wird verurteilt,
a) an die Klägerin 392.249,31 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basi...