Leitsatz (amtlich)
Zur prozessordnungsgemäßen Bezugnahme i.S. von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf ein vom Verkehrsverstoß gefertigtes Lichtbild ist die Angabe der Blattzahl der Akten nicht ausreichend.
Von Vorsatz bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung kann i.d.R. bei einem außerorts begangenen Verstoß schon bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h ausgegangen werden.
Ein Zeitablauf von zwei Jahren zwischen Verkehrsverstoß und Verurteilung führt nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot; er ist lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann, nahe liegt (§§ 25 StVG, 4 BKatV).
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 23. Juni 2009 mit den zugrundeliegenden Feststellungen, soweit sie sich auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen zum Tatzeitpunkt und die subjektive Tatseite beziehen, aufgehoben. Die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung., auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 60 km/h zu einer Geldbuße von 150 EUR verurteilt. Außerdem hat es gegen ihn unter Berücksichtigung der Viermonatsfrist des § 25 Abs. 2a S. 1 StVG ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.
Nach den Feststellungen des Urteils befuhr er am 26. Juli 2007 um 18.06 Uhr mit einem PKW die Bundesstraße 258 aus Richtung Blankenheim kommend in Richtung Nürburgring. Dabei überschritt er die in der Gemeinde Wiesemscheid durch Verkehrszeichen auf 70 km/h beschränkte Höchstgeschwindigkeit. Seine gefahrene Geschwindigkeit betrug 130 km/h. Bei Ermittlung dieser Fahrgeschwindigkeit wurde eine Messtoleranz von 5 km/h berücksichtigt.
Der Betroffene hat sich in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht dahingehend eingelassen, nicht der Fahrer des gemessenen Fahrzeugs gewesen zu sein.
Die Identifizierung des Betroffenen als- Fahrer hat der Bußgeldrichter zum einen anhand eines Vergleichs des bei der Geschwindigkeitsmessung aufgenommenen Lichtbilds des Fahrzeugführers mit dem Gesicht des Betroffenen, zum anderen durch Einholung eines Sachverständi gengutachten s vorgenommen. Auf dieses in den Akten befindliche Gutachten wird in den Urteilsgründen ohne weitere Ausführungen Bezug genommen. Danach ist die Identität des Betroffenen mit der auf dem Lichtbild abgebildeten Person "höchstwahrscheinlich".
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Mit der Verfahrensrüge beanstandet er die Ablehnung eines von ihm in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags, mit dem er die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung beantragt hatte, es sei nicht auszuschließen, dass Führer des Fahrzeugs sein Bruder gewesen sei.
II.
Das in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel hat einen zumindest vorläufigen Erfolg. Ob die auf eine fehlerhaft vorgenommene Fahreridentifizierung abzielende Verfahrensrüge durchgreift, kann dahinstehen. Insoweit ist jedenfalls die Sachrüge begründet.
1.
Die Urteilsgründe weisen hierzu Darstellungsmängel auf. Sie lassen nicht in rechtlich überprüfbarer Weise erkennen, ob die vom Sachverständigen oder dem Bußgeldrichter selbst durch Vergleich des Tatfotos mit dem Gesicht des Betroffenen vorgenommene Identifizierung eine tragfähige Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung ist.
a)
Hat der Tatrichter den Betroffenen anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Lichtbildes als Fahrer identifiziert, müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Beweisfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (BGHSt 41, 376, 382 = NJW 1996, 1420 ff; Senatsbeschluss 1 Ss 119/04 vom 2.6.2004).
aa)
Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Aufgrund der Bezugnahme, die deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein muss, wird das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe. Das Rechtsmittelgericht kann die Abbildung dann aus eigener Anschauung würdigen und ist daher auch in der Lage zu beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist (BGH a.a.O., 383 m.w.N.). Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers sind dann entbehrlich, wenn das Foto zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist (BGH a.a.O., 384). Ist das Foto - etwa aufgrund schlechter Bildqualität oder aufgrund seines Inhalts - zur Identifizierung des Betroffenen ...