Leitsatz (amtlich)

Das Gericht hat auch bei der Bestellung eines Umgangspflegers den Umgang selbst konkret und vollständig zu regeln. Es muss eine Entscheidung mit einem vollstreckbaren Inhalt treffen, so dass es den Umgang insbesondere hinreichend bestimmt regeln muss. Das erfordert eine genaue und erschöpfende Bestimmung über Art und Weise sowie Zeit und Dauer des Umgangs (Anschluss an: BGH FamRZ 2012, 533 und Senat Streit 2017, 69).

Ist der Umgang schrittweise und mit Rücksicht auf das jeweilige Ergebnis der erfolgten Schritte auszuweiten, so dass hierüber nur eine dritte Person entscheiden kann, bedarf es einer sorgerechtlichen Maßnahme; § 1684 BGB bietet keine ausreichende Grundlage. Eine sorgerechtliche Maßnahme (§ 1666 BGB) kann das Beschwerdegericht in einem Umgangsstreit jedoch nur ergreifen, wenn das erstinstanzliche Gericht eine solche bereits - wozu es von Amts wegen auch angehalten war - geprüft hat.

Zum (zeitlich befristeten) Umgangsausschluss bei der Ablehnung des Umgangs durch das Kind und einem damit einhergehenden Ausschluss des Umgangs auch mit dem jüngeren Geschwisterkind, wenn dieses nur bereit ist, den Umgang mit seinem großen Bruder wahrzunehmen.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1684 Abs. 2 S. 3, Abs. 4, § 1809; GG Art. 1-2, 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Linz (Aktenzeichen 8 F 155/20)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers und die Anschlussbeschwerde des Verfahrensbeistands wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Linz am Rhein vom 09.05.2023 in Ziff. 1 bis 5 unter Zurückweisung weitergehender Rechtsmittel abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:

1. Der Umgang des Antragstellers und jedwede sonstige Kontaktaufnahme mit seinen beiden Kindern F., geboren am ...2009, und T., geboren am ...2014, wird bis zum 30.06.2024 ausgeschlossen.

2. Dem Antragsteller und der Antragsgegnerin wird mit Wirkung ab 01.06.2024 das Umgangsbestimmungsrecht für die beiden Kinder F., geboren am ...2009, und T., geboren am ...2014, entzogen.

3. Im Umfang des Teilsorgerechtsentzugs gemäß Ziff. 2 wird Ergänzungspflegschaft angeordnet.

4. Zur Ergänzungspflegerin wird bestellt:

Frau S., ..., L.

Die Ausübung der Ergänzungspflegschaft erfolgt berufsmäßig.

5. Die vorstehende Regelung ändert die gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung vom 09.03.2020 in Ziff. 2 bis Ziff. 5 (Amtsgericht Linz am Rhein, Az. 8 F 160/19) in Verbindung mit der gerichtlichen Umgangsvereinbarung vom 16.01.2019 in Ziff. 6 (Amtsgericht Montabaur, Az. 3 F 238/17) ab.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das vorliegende Verfahren betrifft die Frage des Umgangs des Antragstellers mit seinen beiden 14 und zwischenzeitlich neun Jahre alten Söhnen. Diese stammen aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe mit der Antragsgegnerin. Es besteht gemeinsame elterliche Sorge; der Kindesvater hat der Kindesmutter umfassende Sorgerechtsvollmacht erteilt.

In einem vorausgegangenen familiengerichtlichen Verfahren verständigten sich die Kindeseltern am 09.03.2020 (Amtsgericht Linz am Rhein, Az. 8 F 160/19) auf gerichtlich gebilligte begleitete Umgangskontakte, welche im Anschluss auch stattfanden. Hintergrund war ein gegen den Antragsteller laufendes Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs zu Lasten der minderjährigen Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin. Nachdem das Strafverfahren mit einer Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren beendet war, hat der Antragsteller das vorliegende Verfahren mit dem Ziel eines unbegleiteten Umgangs mit seinen beiden Söhnen eingeleitet. Mangels Erzielung einer einvernehmlichen Lösung hat das Familiengericht ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten zur Frage der Art, der Häufigkeit, der Dauer und des Settings des Umgangs des Antragstellers mit seinen Söhnen sowie nach erforderlichen Hilfemaßnahmen eingeholt. Da der Kindesvater an der Gutachtenerstellung weitgehend nicht mitgewirkt hat, ist dieses überwiegend nach Aktenlage unter Einbeziehung der Vorverfahren und des Strafverfahrens, einschließlich der in diesen eingeholten Gutachten, erstellt worden.

Nach Vorlage des beauftragten Sachverständigengutachtens, der persönlichen Anhörung der Eltern und der Kinder sowie des Jugendamts und des Verfahrensbeistands nebst ergänzender mündlicher Anhörung der Sachverständigen hat das Familiengericht mit der angefochtenen Entscheidung, auf welche zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands sowie der rechtlichen Erwägungen verwiesen wird, befristet bis 31.12.2023 eine Umgangspflegerin bestellt und einen regelmäßigen Umgang des Kindesvaters mit seinen Söhnen an einem Wochentag in jeder geraden Kalenderwoche nach der Schule bis ca. 18.00/19.00 Uhr angeordnet. Des Weiteren hat es festgelegt, dass während der Schulferien im Jahr 2023 Übernachtungskontakte stattfinden, zunächst beginnend mit einer Übernachtung und der Möglichkeit der Ausdehnung bis zu einer Woche, wobei...

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