Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer vorläufigen Entziehung von Teilbereichen der elterlichen Sorge.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a

 

Verfahrensgang

AG Trier (Beschluss vom 27.08.2019; Aktenzeichen 10 F 237/19)

 

Tenor

Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier vom 27. August 2019 gerichteten Beschwerden der Kindeseltern werden zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführer sind miteinander verheiratet und die Eltern des [...] 2019 geborenen Kindes [...]. Dessen Geschwister - [...] (geboren [...] 2014), [...] (geboren [...] 2011) und [...] (geboren [...] 2009) - wurden bereits in der Vergangenheit in Obhut genommen und sind seit dem 18. März 2019 fremduntergebracht.

Mit Beschluss vom 8. August 2019 hat das Familiengericht den Kindeseltern im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht der Gesundheitsfürsorge und das Antragsrecht nach dem SGB für [...] entzogen, insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet und die betreffenden Teilbereiche der elterlichen Sorge auf den Ergänzungspfleger übertragen. Auf dieser Grundlage ist auch dieses Kind fremduntergebracht worden. Die vorbezeichnete einstweilige Anordnung hat das Familiengericht mit Beschluss vom 27. August 2019 bestätigt.

Hiergegen wenden sich die Kindeseltern mit ihren Beschwerden. Sie begehren die Aufhebung der einstweiligen Anordnung vom 8. August 2019.

Der Kindesvater beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Trier - Familiengericht - vom 27.08.2019, Az. 10 F 237/19, zu beschließen wie folgt:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Trier - Familiengericht - vom 27.08.2019, Az. 10 F 237/19, wird aufgehoben.

2. Das Kind [...], geb. [...] 2019, wird an die Eltern [...] herausgegeben.

Ergänzend wird auf die Beschlüsse des Familiengerichts vom 8. August 2019 und vom 27. August 2019, auf die Sitzungsvermerke vom 22. August 2019 und vom 4. Dezember 2019, auf den gesamten Inhalt der Akten des vorliegenden Verfahrens im Übrigen sowie auf die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Trier zu den Aktenzeichen - 10 F 197/10 -, - 10 F 279/17 -, - 10 F 282/17 -, - 10 F 287/17 -, - 10 F 305/17 -, 10 F 91/18 -, - 10 F 232/18 -, - 10 F 86/19 -, - 10 F 103/19 - und - 10 F 259/19 - Bezug genommen.

II. Die zulässigen - insbesondere statthaften (§ 58 Abs. 1 FamFG) sowie form- (§ 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1, 3 und 4 FamFG) und fristgerecht (§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 FamFG) eingelegten - Beschwerden der Kindeseltern sind unbegründet. Das Familiengericht hat zu Recht und mit im Wesentlichen nach wie vor zutreffender Begründung den Kindeseltern mittels einer einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht der Gesundheitsfürsorge und das Antragsrecht nach dem SGB für [...] entzogen; infolgedessen fehlt auch dem verfahrensgegenständlichen Herausgabeantrag die sachlich-rechtliche Grundlage.

Soweit die Entziehung von Teilbereichen der elterlichen Sorge in Rede steht, ist Maßstab für die zu treffende Entscheidung das Wohl des betroffenen Kindes, also der umfassende Schutz des in der Entwicklung befindlichen jungen Menschen (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Mai 2019 - 9 UF 62/19 -; Beschluss vom 7. Januar 2019 - 9 UF 608/18 -; OLG Brandenburg, NJW-RR 2009, 1087, 1087). Daher ist gemäß § 1666, 1666a BGB die Entziehung der elterlichen Sorge vollumfänglich oder - wie hier - in Teilbereichen dann zulässig, wenn bei fortdauernder Sorge der Eltern eine Kindeswohlgefährdung in dem Sinne vorliegt, dass eine gegenwärtige oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Kindesentwicklung abzusehen ist, die bei ihrer Fortdauer eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. Senat, a.a.O.; Beschluss vom 27. Mai 2019 - 9 UF 182/19 -; BVerfG, NZFam 2018, 599, 600, Rdnr. 16; NJW 2015, 223, 223 f., Rdnr. 23; Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 BvR 3116/11 -, BeckRS 2012, 48175; BGH, NJW 2005, 672, 673; OLG Bremen, NJOZ 2018, 850, 851, Rdnr. 13 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3. August 2018 - 18 UF 91/18 -, juris, Rdnr. 40 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. April 2018 - 4 UF 240/17 -, juris, Rdnr. 10 OLG Saarbrücken, Beschluss vom 14. Oktober 2013 - 6 UF 160/13 -, BeckRS 2013, 18772; OLG Koblenz, NJW 2012, 3108, 3109; OLG Hamm, Beschluss vom 17. Februar 2010 - 8 UF 211/09 -, BeckRS 2010, 25746; OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Mai 2009 - 7 UF 149/07 -, BeckRS 2009, 28588; MünchKomm-Lugani, BGB, 8. Aufl. 2020, § 1666, Rdnr. 50, m.w.N.; Staudinger-Coester, BGB, Nebearb. 2016, § 1666, Rdnr. 82, m.w.N.). Auch sind die negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern und einer Fremdunterbringung zu berücksichtigen und müssen durch die hinreichend gewisse Aussicht auf Beseitigung der festgestell...

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