Leitsatz (amtlich)
1. Als eine Überschwemmung ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine Überflutung von Grund und Boden zu verstehen, die voraussetzt, dass sich erhebliche Wassermengen auf der Geländefläche ansammeln. Auch wenn ein versicherter Überschwemmungsschaden nicht voraussetzt, dass das gesamte Grundstück überflutet wird, ist jedoch erforderlich, dass das Wasser in erheblichem Umfange meist mit schädlichen Wirkungen nicht auf normalen Weg abfließen kann und sich Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln. Erforderlich ist die Darlegung, wo und auf welche Weise sich auf der Geländeoberfläche erhebliche Wassermengen angesammelt haben. Es genügt nicht, dass Wasser ohne eine solche Ansammlung außerhalb des Grundstücks in ein Gebäude hineingeflossen ist.
2. Kommt es infolge eines Erdrutsches eines Hanges hinter dem versicherten Wohnhaus zu einem naturbedingten Abgleiten oder Abstürzen von Gesteins- und Erdmassen, wobei Geröll- und Steinmassen gegen die Hauswand drücken, sind hierdurch bedingte Aufräum- und Abbruchkosten sowie Bewegungs- und Schutzkosten nach § 2 Nr. 4 VGB 2006 versichert.
3. Ein Vorschussanspruch für Hangsicherungsmaßnahmen kann nicht auf § 30 VGB 2006 gestützt werden, da dort lediglich eine Zahlungsmodalität geregelt ist.
4. § 90 VVG gewährt keinen Vorschussanspruch, etwa für Kosten zur Sicherung eines Hangs hinter einem versicherten Wohnhaus, sondern nur einen Aufwendungsersatzanspruch für Aufwendungen, um einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall abzuwenden oder in seinen Auswirkungen zu mindern.
Normenkette
VGB 2006 § 2 Nrn. 1, 4 Buchst. b, § 4 Nr. 1 Buchst. d, § 9 Nr. 1 Buchst. a; VGB § 30
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 15.06.2016; Aktenzeichen 3 O 144/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 15. Juni 2016 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 94/100 und die Beklagte 6/100.
Das vorbezeichnete Urteil und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem Wohngebäudeversicherungsvertrag für das versicherte Grundstück des Klägers Am H. 5 in M. in Anspruch. Auf das Versicherungsverhältnis, das Versicherungsschutz gegen Elementargefahren wie Überschwemmungen und Erdrutsche umfasst, finden die Allgemeinen Wohngebäude Versicherungsbedingungen VGB 2006 (vgl. Anlage BLD 1, Anlagenmappe) Anwendung. Hinsichtlich der Elementargefahren wie Überschwemmung und Erdrutsch wurde je Versicherungsfall eine Selbstbeteiligung von 500,00 EUR vereinbart.
Der Kläger zeigte am 21.05.2013 über den Vertragsvermittler der Beklagten an, dass der Hang hinter seinem Haus abgerutscht sei und Wasser in das Haus ströme, wodurch die Tür aufgequollen sei und es Schäden am Putz der Hauswand gegeben habe. Zu diesem Zeitpunkt führte der Kläger Isolierarbeiten an der Außenfassade durch und hatte er hierzu ein Gerüst an die hintere Seite des Hauses gestellt.
Die Beklagte beauftragte daraufhin die Firma I. damit, weitere Feststellungen zu dem angezeigten Schaden zu treffen. In diesem Rahmen führte ein Mitarbeiter dieses Unternehmens am 18.06.2013 einen Ortstermin durch.
Die Beklagte 2013 lehnte mit Schreiben vom 19.07.2013 ihre Eintrittspflicht ab. Daraufhin forderte der Kläger sie mit anwaltlichem Schreiben vom 06.08.2013 auf, die Ansprüche des Klägers bis zum 14.08.2013 anzuerkennen.
Nach erfolglosem Ablauf dieser Frist wurde auf Antrag des Klägers vom 20.08.2013 vor dem Amtsgericht I. ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt (302 H 15/13). Der gerichtlich beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. J. D. bezifferte in seinem Gutachten vom 11.04.2014 (dort S. 20, Bl. 132 der Beweissicherungsakte) die Beseitigungskosten für Erd- und Gesteinsmassen auf 1.580,00 EUR netto und die Kosten für die Sicherung des Hangs auf 18.640,00 EUR netto (dort S. 21 der Beweissicherungsakte). Ebenfalls im selbständigen Beweisverfahren bezifferte der ebenfalls gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. M. A. in seinem Gutachten vom 12.06.2015 die Kosten für Putzarbeiten an der Hauswand auf 750,00 EUR netto (vgl. S. 1, 14 des Gutachtens, Bl. 162, 175 d. Beweissicherungsakte).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.05.2014 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Beseitungs- und Sicherungskosten, unter Berücksichtigung des vereinbarten Eigenanteils von 500,00 EUR insgesamt 19.720,00 EUR, bis zum 23.05.2014 zu bezahlen. Die Beklagte lehnte dies ab.
Der Kläger hat vorgetragen,
auf seinem Grundstück sei es in der Nacht zum Pfingstmontag im Jahre 2013 hinter dem Wohnhaus am Steilhang zu einem Erdrutsch infolge Unterspülung durch starke Regenfälle gekommen, bei dem mehrere Kubikmeter Gesteins- und Erdmassen abgerutscht seien. Die starken Regenfälle hätten auch dazu geführt, dass im Vorflur hinter der Haustür Wasser in das Gebäude eingedrungen sei, wodurch sich der Fußboden angehoben habe, eine Tür aufgequollen sei, und sich an der Tür ...