Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliche Terminsgebühr bei außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen mit anschließender gerichtlicher Protokollierung
Leitsatz (amtlich)
1. Handeln die Prozessvertreter in außergerichtlichen Gesprächen einen Vergleich aus, der anschließend vom Gericht lediglich nach § 278 Abs. 6 ZPO protokolliert wird, fällt neben der Verfahrens- und Einigungsgebühr auch eine Terminsgebühr an.
2. Soweit der BGH in der Entscheidung vom 30.3.2004 - VI ZB 81/03 - auch für das neue RVG eine andere Ansicht geäußert hat, ist das nicht mit Abs. 3 der Vorbemerkung 3 zu Nr. 3100 zum RVG-VV zu vereinbaren.
Normenkette
ZPO §§ 91, 278 Abs. 6; RVG-VV Abs. 3 der Vorbem. 3 zu Nr. 3100 ff., Nr. 3101
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 20.06.2005; Aktenzeichen 9 O 224/04) |
Tenor
Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.6.2005 gerichtete sofortige Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (Wert: 1.670,40 EUR).
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien des Rechtsstreits sowie die Nebenintervenientin haben vor mündlicher Verhandlung einen umfangreichen Vergleich ausgehandelt, dessen Zustandekommen das LG - nach redaktionellen Korrekturen - durch Beschl. v. 18.1.2005 festgestellt hat. Die Kostenregelung sieht vor, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Mit Beschl. v. 10.5.2005 hat der Rechtspfleger antragsgemäß die von der Beklagten zu erstattenden Kosten auf 3.920, 80 EUR festgesetzt. In dem Betrag enthalten ist eine Einigungsgebühr i.H.v. 1.800 EUR zzgl. MWSt. Mit Beschl. v. 20.6.2005 hat der Rechtspfleger auf den Antrag der Klägerin eine Terminsgebühr i.H.v. 1.670, 40 EUR festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, die der Auffassung ist, eine Terminsgebühr sei nicht angefallen.
Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.6.2005 gerichtete sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Der Rechtspfleger hat im vorliegenden Fall zu Recht eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV angesetzt. Eine Terminsgebühr fällt bei dem Abschluss eines Vergleichs gem. § 278 Abs. 6 ZPO im Prozessverfahren nach § 128 Abs. 1 ZPO und außerhalb eines gerichtlichen Termins jedenfalls dann an, wenn die Sach- und Rechtslage von den Rechtsanwälten der Parteien ohne Beteiligung des Gerichts zur Erzielung einer gütlichen Einigung erörtert wird und dies zu einer vergleichsweisen Einigung nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 1 ZPO führt.
Ob dies dann auch gilt, wenn (nur) eine Besprechung mit dem Gericht vorausgeht und auf gerichtlichen Vorschlag ein Vergleich geschlossen wird (Alt. 2), bedarf hier keiner Entscheidung (bejahend Goebel, RVG-B 2005, 8 ff. in Anm. zu BGH v. 30.3.2004 - VI ZB 81/03, BGHReport 2004, 1131 = BGHReport 2004, 524 = MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311; NJOZ 2004, 4083).
1. Die Frage, ob der Abschluss eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO eine Terminsgebühr für den Anwalt entstehen lässt, wird uneinheitlich beantwortet. Die ablehnende Meinung orientiert sich primär am Wortlaut der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV, der sich in seiner ersten Alternative auf das Verfahren § 128 Abs. 2 ZPO beziehe und nicht auf § 278 Abs. 6 ZPO (Hartmann, GKG, 35. Aufl., VV 3104 Rz. § 278 ZPO erfasst nicht die mündliche Verhandlung; umfangreiche Nachweise bei LG Bonn ASG 2005, 288 [289], mit Anm. Schneider).
Der BGH (BGH v. 30.3.2004 - VI ZB 81/03, BGHReport 2004, 1131 = BGHReport 2004, 524 = MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311; NJOZ 2004, 4083) hat im Zusammenhang mit der Anwendung der BRAGO obiter dictum entschieden, neben der Einigungsgebühr und der Verfahrensgebühr falle bei Abschluss eines Vergleiches nicht zusätzlich die Terminsgebühr an. Die Bezugnahme auf § 307 Abs. 2 und § 495a ZPO lege es nahe, dass in der ersten Alternative das Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO und nicht § 278 Abs. 6 ZPO gemeint sei (vgl. die Entscheidung auf Gegenvorstellung vom 30.6.2005 NOJZ 2004, 4083; OLG Nürnberg AnwBl. 2005, 222, mit Anm. Henke im Anschluss an den BGH bei einem Vorschlag des Beklagten, Unterbreitung des Vergleichsvorschlags durch das Gericht und Feststellung des Zustandekommens nach § 278 Abs. 6 S. 1 Alt. 2 ZPO).
Die wohl ganz h.M. in der Literatur vertritt hingegen den Standpunkt, dass auch der schriftliche Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO die Terminsgebühr zur Entstehung bringen kann (vgl. die Nachw. bei LG Bonn ASG 2005, 288 [289], mit Anm. Schneider), wobei nur fraglich ist, ob auch eine Besprechung mit dem Gericht (Goebel, RVG-B 2005, 8 ff. in Anm. zu BGH v. 30.3.2004 - VI ZB 81/03, BGHReport 2004, 1131 = BGHReport 2004, 524 = MDR 2004, 965 = NJW 2004, 2311; NJOZ 2004, 4083) oder Dritten (Enders in Anm. zu BGH JurBüro 2004, 481 [482]; Enders in Anm. zu OLG Nürnberg JurBüro 2005, 249 [250]) ausreicht.
Bei Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts ist auf jeden Fall eine auf die Erledigung des geri...