Verfahrensgang

LG Trier (Aktenzeichen 5 O 108/22)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Trier vom 17.02.2023, Az.: 5 O 108/22, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das vorbezeichnete Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.828,89 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Abgasskandal Schadensersatz aufgrund des Erwerbs eines Gebrauchtfahrzeugs (...[A] Cabrio 3.0 TDI, EA 896 Gen. 2, Euro 5).

Einer Darstellung tatsächlicher Feststellungen i. S. d. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 543, 544 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

II. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer mangels vertraglicher Beziehungen allein denkbaren deliktischen Haftung der Beklagten hat er nicht schlüssig vorgetragen. Ansprüche gegen die Beklagte folgen weder aus §§ 826, 31 BGB (1.) noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 bzw. mit §§ 6, 27 EG-FGV (2.). Der Kläger dringt aus den für den Hauptanspruch geltenden Gründen auch mit seinen Nebenforderungen nicht durch (3.).

1. Ein Anspruch folgt nicht aus §§ 826, 31 BGB.

a) Nach dieser Vorschrift ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Dies ist beim Inverkehrbringen eines Fahrzeugs der Fall, wenn dieses nach einer Gesamtbetrachtung aller Umstände aus besonderen Gründen - konkret beim Motor EA189 der Beklagten wegen der Ausgestaltung der Abschalteinrichtung in Form einer Software gesteuerten verdeckten Prüfstandserkennung, durch die die Emissionssteuerung im Prüfstandsbetrieb optimiert wird - als besonders verwerflich anzusehen ist (vgl. BGH, Urteile vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 18 ff. und vom 30.07.2020, VI ZR 5/20 Rn. 32 ff. sowie VI ZR 367/19, Rn. 12; Senat, Urteile vom 25.10.2019, 3 U 819/19, juris; vom 28.02.2020, 3 U 1451/19, vom 17.03.2020, 3 U 1903/19, BeckRS 2020, 14841, und vom 30.06.2020, 3 U 120/20, 3 U 123/20, juris sowie BeckRS 2020, 15296, 3 U 250/20, 3 U 1868/19, 3 U 1869/19, juris sowie BeckRS 2020, 15305, und 3 U 1900/19).

b) Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nicht ausgegangen werden. Denn bei einer umfassenden Würdigung des Sachvortrags beider Parteien und Bewertung des Verhaltens der Beklagten ergibt sich keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Klägers durch den Erwerb des Fahrzeugs am 03.05.2017. Es fehlt hierzu sowohl an der objektiven Sittenwidrigkeit als auch am Schädigungsvorsatz der Beklagten.

c) Der Vortrag des Klägers zu der angeblich in seinem Fahrzeug verbauten Akkustikfunktion und Lenkwinkelerkennung ist nicht hinreichend substantiiert, um eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu begründen. Selbst wenn man den Einbau dieser von dem Kläger beschriebenen Funktionen in seinem Fahrzeug unterstellte, wäre der darin liegende Gesetzesverstoß für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz emissionsbeeinflussender Einrichtungen im Verhältnis zum Kläger als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Denn ein - unterstellter - Gesetzesverstoß reicht nicht aus, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. nur Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 Rn. 16; Beschluss vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20 Rn. 26). Hierzu wäre jedenfalls weiter erforderlich, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der Motorsteuerung in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. War dies nicht der Fall, fehlt es bereits an der objektiven Sittenwidrigkeit (BGH, a.a.O.).

So liegt der Fall hier. Das Bewusstsein hinsichtlich der Unzulässigkeit der beiden vermeintlich entwickelten und installierten Funktionen sowie die billigende Inkaufnahme des darin liegenden etwaigen Gesetzesverstoßes ist vorliegend weder von dem Kläger dargelegt noch sonst erkennbar, so dass bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt ist.

d) Auch aus dem Gesichtspunkt eines sogenannten Thermofensters - zu dem der Kläger für sein Fahrzeug nicht substantiiert vorträgt - kann jedenfalls kein Anspruch aus § 826 BGB hergeleitet werden. Ein Thermofenster rechtfertigt den Vorwurf besonderer Verwerflichkeit bei der gebotenen Gesamtbetrachtung - unabhängig von der konkreten Konfiguration der Einrichtung bzw. des betroffenen Temperaturbereichs - nicht. Dies gilt auch dann, wenn eine solche Konfiguration im Ergebnis als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifiziere...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge