Leitsatz (amtlich)

1. Zum Gläubigerbenachteiligungsvorsatz und zur Kenntnis des begünstigten Gläubigers bei Teilzahlungen auf rückständige Beiträge zur Berufsgenossenschaft.

2. Eine eigenverantwortliche und damit anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. § 133 InsO liegt auch dann noch vor, wenn der Schuldner Zahlungen auf eine allgemein angekündigte Zwangsvollstreckung erbringt (Anschluss an BGH NJW-RR 2004, 342).

 

Normenkette

InsO § 133 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Urteil vom 21.11.2011; Aktenzeichen 3 O 164/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Mainz vom 21.11.2011 (Az. 3 O 164/10) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.929,17 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Der Kläger, Insolvenzverwalter der insolventen J. GmbH aus Bremen verlangt von der beklagten Berufsgenossenschaft nach einer Insolvenzanfechtung die Rück zahlung von durch die Insolvenzschuldnerin überwiesenen Berufsgenossenschaftsbeiträgen.

Am 1.4.2009 stellte die Gemeinschuldnerin, die der Beklagten als der für sie zuständigen Berufsgenossenschaft angehörte, durch ihren Geschäftsführer beim AG B. einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen.

Nachdem die Beklagte den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des letzten Beitragsbescheides (Zustellung 23.10.2008) beauftragt hatte, traf jener bei einem Vollstreckungsversuch den Geschäftsführer der Gemeinschuld- nerin nicht an. Er unternahm jedoch keine Vollstreckungshandlungen und setzte noch einmal eine Zahlungsfrist bis zum 2.12.2008.

Am 1.12.2008 zahlte die Insolvenzschuldnerin zugunsten der Beklagten per Über- weisung auf das Bankkonto des Gerichtsvollziehers den streitigen Betrag i.H.v. 13.929,17 EUR. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie (Stand Oktober 2008) einen Zahlungsrückstand i.H.v. 22.757,07 EUR.

Der Kläger hat vorgetragen, dass die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen schon zahlungsunfähig gewesen sei. Insbesondere hätten gegenüber dem Finanzamt Verbindlichkeiten i.H.v. 78.948,72 EUR und weitere fällige und nicht bezahlte Forderungen anderer Gläubiger von mindestens 140.351,57 EUR bestanden, bei unmittelbar verfügbarer Liquidität i.H.v. 8.855 EUR (entsprechend des von ihm erstellten Insolvenzgutachten vom 29.4.2009, Bl. 49 ff. GA.).

Die Beklagte hat vorgetragen, dass aus ihrer Sicht eine Rechtshandlung i.S.d. § 133 InsO nicht gegeben sei, da die Zwangsvollstreckung mit der Zustellung an die Gemeinschuldnerin begonnen und noch fortgedauert habe. Des Weiteren habe sie zum Zeitpunkt der Zahlung am 1.12.2008 keinerlei Kenntnisse über die von dem Kläger behaupteten Rückstände bzw. Verbindlichkeiten der späteren Gemeinschuldnerin gehabt.

Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen, da dem Kläger ein Anspruch auf Rückgewähr gemäß den §§ 133, 143 InsO nicht zustünde. Es hat zwar das Vorliegen einer Rechtshandlung i.S.d. § 131 ZPO durch die Zahlung der Gemeinschuldnerin am 1.12.2008 bejaht. Es hat es jedoch als nicht erwiesen erachtet, dass die Insolvenzschuldnerin einen Benachteiligungsvorsatz hatte. Die Zahlung sei aufgrund einer kongruenten Deckung erfolgt. Es sei zwar von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin auszugehen. Diese sei durch ihre Zahlung an den Gerichtsvollzieher lediglich seiner gesetzlichen Pflicht gemäß den §§ 150 ff. SGB XII zur Zahlung von Beiträgen zur gesetz- lichen Unfallversicherung nachgekommen. Es könne zwar unterstellt werden, dass in einer solchen Situation die Benachteiligung anderer Gläubiger im Allgemeinen durch die streitgegenständlichen Überweisungen bewusst gewesen sei, man könne daraus jedoch nicht auf einen Benachteiligungsvorsatz schließen. Der Insolvenzschuldner habe keine echte Wahlmöglichkeit gehabt, da eine objektive Pflichtenkollision vorgelegen habe.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszug. Er kritisiert, dass für einen grundsätzlich anfechtungsberechtigten Insolvenzverwalter der Nachweis einer Benachteiligungsabsicht praktisch nicht mehr erbringbar sei, wenn der Insolvenzschuldner eine gesetzliche Pflicht durch seine Rechtshandlung bediene. Dies sei insbesondere deswegen unbillig, wenn wie im vorliegenden Fall die Gläubiger gleichrangig seien. Das Anerkenntnis einer objektiven Pflichtenkollision widerspräche dem Regelausnahmeprinzip der Vorschrift des § 133 InsO.

Der Kläger beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Sie erweist insbesondere darauf, dass sie weder Kenntnis von der drohe...

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