Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung; Hemmung der Verjährungsfrist durch Einreichung eines Antrages bei der Gutachterkommission
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Haftpflichtversicherer des Arztes gegenüber dem Patienten klar und eindeutig den Abbruch der Verhandlungen über den Anspruch zum Ausdruck gebracht, endet die Hemmung der Verjährung. Fordert der Patient zweieinhalb Jahre später den Haftpflichtversicherer erneut zur Regulierung auf und sagt der Versicherer eine weitere Prüfung zu, führt dies nicht zu einer auf den Zeitpunkt der ersten Verhandlung zurückwirkenden Hemmung der Verjährung.
2. Das Verfahren vor der Gutachterkommission der Ärztekammer bewirkt eine Hemmung der Verjährung nur dann, wenn der Schuldner an dem Verfahren beteiligt ist und sich auf dieses einlässt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn eine Partei dem Verfahren widerspricht. Zwischen Einreichung des Antrages bei der Gutachterkommission durch den Patienten und dem Widerspruch der Behandlerseite ist die Verjährung nicht gehemmt.
Normenkette
BGB §§ 195, 199 Abs. 1, § 203 S. 1, § 204 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 2
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 01.03.2013; Aktenzeichen 9 O 348/12) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 1.3.2013 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 349/12 - gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO).
Gründe
I. Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO). Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG die Klage abgewiesen.
Der mit dem Klageantrag zu Ziff. 1 geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen behaupteter ärztlicher Behandlungsfehler ist verjährt.
Der Anspruch unterliegt, gleich ob auf vertraglicher oder deliktischer Grundlage, der Regelverjährung des § 195 BGB. Die dreijährige Verjährungsfrist begann in Anwendung der Vorschrift des § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2008, nachdem die Klägerin durch Unterrichtung ihres Arztes Dr. I im Juli 2008 darüber informiert worden war, dass - so ihre Behauptung - im Rahmen der im Hause der Beklagten im März 2008 durchgeführten Operation ein Knoten der Schilddrüse rechtsseitig nicht entfernt worden war.
Die danach ab dem 1.1.2009 laufende Verjährungsfrist war zunächst wegen schwebender Verhandlungen über die den Anspruch begründenden Umstände gem. § 203 S. 1 BGB gehemmt, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 26.9.2008 auf die unterbliebene Knotenentfernung rechts hingewiesen und um Stellungnahmen gebeten hatte und die Beklagte mit Schreiben vom 13.10.2008 eine Prüfung der Angelegenheit zugesagt hatte. Wie das LG zu Recht angenommen hat, endete die Hemmung jedoch mit Schreiben der Haftpflichtversicherung vom 10.3.2008, denn mit diesem wurde die Fortsetzung von Verhandlungen verweigert. Die durch Verhandlungen der Parteien bewirkte Hemmung der Verjährungsfrist endet durch Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlungen. Dies muss durch ein klares und eindeutiges Verhalten einer der Parteien zum Ausdruck kommen. Für die Beendigung von Verhandlungen genügt daher nicht schon, dass der Einstandspflichtige seine Einstandspflicht verneint, wenn er nicht zugleich klar und eindeutig den Abbruch der Verhandlungen zum Ausdruck bringt (BGH, Urt. v. 17.2.2004 - VI ZR 429/02, Tz. 15, zitiert nach juris). Die Haftpflichtversicherung der Beklagten hat mit Schreiben vom 10.3.2009 den klaren Standpunkt eingenommen, dass Behandlungsfehler nicht festzustellen seien. Mit der das Schreiben abschließenden Formulierung "Für die gesundheitliche Entwicklung wünschen wir Frau E alles Gute und verbleiben mit freundlichen Grüßen ..." hat die Haftpflichtversicherung ferner klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass von ihrer Seite aus weitere Verhandlungen nicht veranlasst waren. Dies hat auch die Klägerin offenbar nicht anders verstanden, denn sie hat ihrerseits auf das Schreiben der Versicherung nicht mehr erwidert, sondern stattdessen einen Antrag bei der Gutachterkommission der Ärztekammer Nordrhein eingereicht. Dass die Haftpflichtversicherung der Beklagten dann auf eine etwa zweieinhalb Jahre später erneute Regulierungsaufforderung der Klägerin (Schreiben vom 26.10.2011) eine weitere Prüfung der Angelegenheit zusagte, führt nicht zu einer auf den Zeitpunkt der ersten Verhandlung rückwirkenden Hemmung. Wird über einen Anspruch mehrfach verhandelt, sind die dazwischen liegenden Zwischenräume nur dann insgesamt als hemmend zu behandeln, wenn bei wertender Betrachtungsweise die späteren Verhandlungen letztlich nur die früheren fortführen, was beispielsweise der Fall ist, wenn früher...