Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönliche Untersuchung des Betroffenen zur Feststellung der Betreuungsbedürftigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ein Gespräch des Gutachters mit dem Betroffenen, der jegliche Untersuchung verweigert, im Hausflur reicht regelmäßig nicht aus, um die Feststellung treffen zu können, es liege eine anhaltende wahnhafte Störung vor, auf Grund derer der Betroffene seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen könne.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 26.11.2004; Aktenzeichen 6 T 569/04) |
AG Wipperfürth (Aktenzeichen 6-XVII 176/04) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Köln vom 26.11.2004 - 6 T 569/04 - aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Behandlung und erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Der Betroffenen wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde unter Beiordnung vom Rechtsanwalt H. Prozesskostenhilfe bewilligt.
Gründe
Die weitere Beschwerde ist zulässig. In der Sache führt sie zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung an das LG, dessen Entscheidung aus Rechtsgründen (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO) nicht bestehen bleiben kann.
Der Anordnung der Betreuung liegen keine hinreichend sicher festgestellten Tatsachen zugrunde. Das LG wäre vielmehr gehalten gewesen, eine erneute Begutachtung anzuordnen.
Aus dem in erster Instanz eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. T. ergibt sich nicht mit hinreichender Sicherheit, dass die Betroffene an einer psychischen Erkrankung leidet und sie deswegen ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann (§ 1896 Abs. 1 BGB). Der Gutachter hat die Betroffene nicht persönlich untersucht und nach einem Gespräch mit ihr im Hausflur ausgeführt, dass der dringende Verdacht auf eine anhaltende wahnhafte Störung vorliege. Allein ein Verdacht genügt für die Erfüllung des medizinischen Tatbestandes des § 1896 Abs. 1 BGB aber nicht (OLG Köln. Beschl. v. 23.2.2000 -16 Wx 33/2000, OLGReport Köln 2000, 396; BayObLG v. 26.1.1995 - 3Z BR 366/94, FamRZ 1995, 1082 f.). Damit steht aufgrund des Gutachtens nicht fest, dass die Betroffene tatsächlich an einer psychotischen Störung oder einer sonstigen psychischen Erkrankung leidet. Die Anhörung der Betroffenen durch den Amtsrichter, auf die das LG sich bei seinen Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 BGB auch gestützt hat, ersetzt nicht ärztliche Fachkompetenz.
Auch wenn unabhängig von der Begutachtung verschiedene Tatsachen im Verhalten der Betroffenen festgestellt werden konnten, die den Erklärungsversuch des Sachverständigen stützen, und die Ursache für die zurückhaltende und vorsichtige Beurteilung durch den Sachverständigen darin liegt, dass die Betroffene nicht kooperationsbereit war, den Sachverständigen nicht in die Wohnung lassen wollte und deswegen die Exploration nur im Hausflur der Wohnung stattfand, erübrigte sich hierdurch die Klärung der Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 BGB nicht. Jedenfalls kann die fehlende Kooperationsbereitschaft der Betroffenen nicht dazu führen, dass sich der Tatrichter mit einer unvollständigen Exploration und einer hierdurch bedingten Beurteilung begnügt, die eine psychische Erkrankung nur als wahrscheinlich erscheinen lässt. Vielmehr gibt das Gesetz ihm in § 68b Abs. 3, 4 FGG auch für diesen Fall Möglichkeiten zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Begutachtung an die Hand (OLG Köln, Beschl. v. 16.9.1998 - 16 Wx 121/98, OLGReport Köln 1999, 38 = FamRZ 1999, 873 = NJWE-FER 1999, 90 = 4 T 306/98 LG Bonn).
Bildet das in erster Instanz eingeholte Gutachten keine hinreichende Tatsachengrundlage, so ist es verfahrensfehlerhaft, wenn das Beschwerdegericht sich gem. § 69g Abs. 5 S. 4 FGG hierauf stützte und von einer erneuten bzw. ergänzenden Begutachtung nach S. 1 dieser Norm i.V.m. § 68b FGG absieht.
Abschließend sei die Betroffene darauf hingewiesen, dass die Aufhebung der Entscheidung des LG die von dem AG getroffenen Anordnungen unberührt lässt, also die Betreuung in dem ursprünglich angeordneten Umfang zunächst einmal bis zu einer etwaigen anderweitigen Entscheidung des LG fortbesteht. Sie sollte auch bedenken, dass sie eine ihr günstige Entscheidung nur erwirken kann, wenn sie an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt. Es liegt daher in ihrem eigenen Interesse, dass sie ihren Widerstand gegen eine umfassende Exploration durch einen Sachverständigen aufgibt und sich kooperationsbereit verhält.
Da die Betroffene mit ihrem Rechtsmittel jedenfalls vorläufigen Erfolg hat, war ihr die begehrte Prozesskostenhilfe zu bewilligen (§§ 14 FGG, 114 ff. ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1336770 |
BtMan 2005, 235 |
OLGR-Mitte 2005, 271 |