Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung prozessualer Willenserklärungen
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist im Einzelfall möglich, eine einseitige Erledigungserklärung als Antragsrücknahme i.S.d. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO n.F. auszulegen.
2. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO n.F. ist auch bei einer vor Anhängigkeit eingetretenen Erledigung anwendbar.
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 29.07.2003; Aktenzeichen 7 O 324/02 SH I) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 20.8.2003 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Köln vom 29.7.2003 – 7 O 324/02 SH I – wird zurückgewiesen.
Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Gläubiger hat gegen die Schuldnerin ein Teilanerkenntnisurteil des LG Köln vom 20.12.2002 – 7 O 324/02 – erwirkt, durch das diese als Beklagte u.a. verurteilt worden ist, ggü. dem Kläger des Rechtstreits den Wert des näher beschriebenen Grundstückes durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln. Durch Schreiben vom 10.1.2003 forderte der Gläubiger die Schuldnerin auf, bis zum 24.1.2003 zu belegen, dass sie die Erstellung des Gutachtens in Auftrag gegeben habe; die Parteien hatten sich darauf verständigt, dass der Gutachterausschuss der Stadt L. mit der Begutachtung beauftragt werden sollte. Am 20.2.2003 ließ der Gläubiger der Schuldnerin die vollstreckbare Ausfertigung des Teilanerkenntnisurteils zustellen und beantragte mit Schriftsatz vom 25.4.2003, gegen die Schuldnerin wegen der Nichtvornahme der titulierten Verpflichtung gem. § 888 ZPO ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft festzusetzen. Nachdem die Schuldnerin mit Schriftsatz vom 11.6.2003 ein Schreiben des Gutachterausschusses vom 13.3.2003 vorgelegt hatte, wonach der Auftrag zur Erstattung des Gutachtens dort am 5.3.2003 eingegangen war, hat der Gläubiger seinen Antrag „für erledigt erklärt” und beantragt, der Schuldnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Schuldnerin hat der Erledigungserklärung mit der Begründung widersprochen, der Antrag des Gläubigers sei von Anfang an ungerechtfertigt gewesen.
Mit Beschluss vom 29.7.2003 hat das LG die Kosten des Verfahrens gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO der Schuldnerin auferlegt. Die Erledigungserklärung sei als Antragsrücknahme zu werten. Die Schuldnerin habe spätestens nach der Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Teilanerkenntnisurteils mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen müssen und sei verpflichtet gewesen, dem Gläubiger die am 28.2.2003 erfolgte Beauftragung des Gutachterausschusses mitzuteilen. Demgegenüber sei der Gläubiger nicht gehalten gewesen, vor Einreichung des Antrags noch selbst beim Gutachterausschuss nachzufragen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie die Auferlegung der Kosten zu Lasten des Gläubigers erstrebt.
II. Die gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 269 Abs. 5 S. 1 ZPO statthafte, in rechter Frist (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin, der das LG gem. Beschluss vom 27.8.2003 nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet. Das LG hat die Kosten des Verfahrens nach § 888 ZPO zu Recht der Schuldnerin auferlegt. Die Kostentragungspflicht der Schuldnerin entspricht gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO unter Berücksichtung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen.
1. Die Vorschrift des § 269 Abs. 3 ZPO ist im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens gem. § 888 ZPO anwendbar. Sie gilt nicht nur für die Rücknahme einer Klage, sondern auch für alle sonstigen Anträge, über die eine mündliche Verhandlung zulässig ist (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 269 Rz. 1). Hiervon wird auch ein Antrag auf Verhängung von Zwangsmitteln i.S.d. § 888 Abs. 1 ZPO erfasst. Ebenso wie im Falle einer sachlichen Entscheidung über einen Zwangsmittelantrag i.S.d. § 888 Abs. 1 ZPO die Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO Anwendung finden (§ 891 S. 3 ZPO), richtet sich die Kostentragungspflicht zwischen den Verfahrensbeteiligten im Falle einer Antragsrücknahme nach § 269 Abs. 3 ZPO (Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 891 Rz. 2).
2. Das LG ist in der angegriffenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass der Gläubiger seinen Antrag auf Verhängung von Zwangsmitteln gem. § 888 ZPO wirksam i.S.d. § 269 Abs. 3 ZPO zurückgenommen hat.
a) Ausdrücklich ist eine derartige Rücknahme allerdings nicht erfolgt. Vielmehr hat der Gläubiger in dem Schriftsatz vom 23.6.2003 den Vollstreckungsantrag „für erledigt erklärt” und beantragt, der Schuldnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Hätte die Schuldnerin dieser Erledigungserklärung zugestimmt, läge unproblematisch eine übereinstimmende Erledigungserklärung i.S.d. § 91a ZPO vor, so dass nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden gewesen wäre. Da indessen die Schuldnerin der Erledigungserklärung nicht zugestimmt hat, handelt es sich dem Wortlaut nach um eine einseitige Erledigungserklärung. Im Rahmen des Klageverfahrens ist an...