Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Elternteil, der mit den gemeinsamen Kindern beruflich bedingt ins Ausland umziehen will
Leitsatz (redaktionell)
1. Beabsichtigt ein Elternteil getrennt lebender oder geschiedener Eltern, mit dem gemeinsamen Kind der Parteien aus beruflichen Gründen für längere Zeit ins Ausland zu ziehen und können die bisher gemeinsam sorgeberechtigten Eltern sich hierüber nicht verständigen, kann im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache nach § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB dem ins Ausland ziehenden Elternteil übertragen werden, soweit dies dem Kindeswohl am besten dient.
2. Ein Regelungsbedürfnis ergibt sich ohne weiteres aus dem Streit der Kindeseltern, ob das Kind in Deutschland zu verbleiben hat oder es dem antragstellenden Elternteil erlaubt ist, zusammen mit dem Kind ins Ausland zu ziehen, um dort eine Arbeitsstelle aufzunehmen.
3. Die durch den Umzug ins Ausland bedingte Beeinträchtigung des Umgangs des anderen Elternteils mit dem Kind steht der vorläufigen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht entgegen, wenn zu erwarten ist, dass die am Kindeswohl zu orientierende Entscheidung in der Hauptsache in gleicher Weise ausfällt.
4. Dem Recht des anderen Elternteils auf möglichst freien Umgang mit seinem Kind aus Art. 6 GG steht das Rechts des antragstellenden Elternteils auf örtlich freizügige Lebensgestaltung und Freizügigkeit aus Art. 2 GG sowie auch das Recht auf freie Berufswahl aus Art. 12 GG entgegen.
5. Für den beabsichtigten Umzug des antragstellenden Elternteils ins Ausland müssen beachtenswerte Gründe vorgetragen werden.
6. Ein triftiger Grund kann unter anderem dann vorliegen, wenn der aus beruflichen Gründen ins Ausland ziehende Elternteil die Berufswahl deswegen trifft, um seine berufliche Zukunft und seine und die wirtschaftliche Existenz des Kindes zu sichern.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1, 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 05.12.2005; Aktenzeichen 41 F 441/05 (EASO)) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - FamG - Bonn vom 5.12.2005 - 41 F 441/05 EA SO - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Q. in C. bewilligt.
Gründe
I. Die gem. §§ 621g, 621 Abs. 1 Nr. 1, 620c ZPO zulässige - insb. frist- und formgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das FamG im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens das Aufenthaltsbestimmungsrecht bezüglich der beiden gemeinsamen Kinder der Beteiligten zu 1.) und 2.) vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache nach § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Kindesmutter übertragen. Nach der Trennung der Kindeseltern steht zu erwarten, dass die Aufhebung dieses Teilbereiches der gemeinsamen Sorge und deren Übertragung auf die Kindesmutter dem Wohl der Kinder am Besten entspricht. Dem steht die beabsichtigte Berufsaufnahme der Kindesmutter in Bangladesch und der damit verbundene Umzug der Kindesmutter und ihrer beiden Kinder sowie die dadurch bedingte Beeinträchtigung des Umgangs des Beteiligten zu 2.) (Kindesvater) mit den Kindern nicht entgegen.
Insbesondere verletzt die getroffene Entscheidung den Beteiligten zu 2.) in seinen Grundrechten aus Art. 6 GG nicht in unzumutbarer Weise. Art. 6 Abs. 2 GG schützt die Eltern-Kind-Beziehung und sichert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Dieses Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist. Allerdings bedarf das Elternrecht, das den Eltern gemeinsam zusteht, insb. auch für den Fall, dass die Eltern sich bei der Ausübung ihres Rechts nicht einigen können, der gesetzlichen Ausgestaltung. Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge (wie hier das Aufenthaltsbestimmungsrecht) allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Antragstellerin dem Wohl des Kindes am Besten entspricht (so BVerfG v. 20.8.2003 - 1 BvR 1532/03, FPR 2003, 671 = FamRZ 2003, 1731, m.w.N.).
Ein Regelungsbedürfnis ergibt sich ohne Weiteres aus dem Streit der Kindeseltern, ob die Kinder in Deutschland zu verbleiben haben oder ob es der Kindesmutter erlaubt ist, zusammen mit ihren Kindern nach Bangladesch zu ziehen, um hier eine Arbeitsstelle aufzunehmen. Diesbezüglich fehlt es den Kindeseltern an einem Mindestmaß an Übereinstimmung bzw. Kooperationsbereitschaft, das es gestatten würde, beide neben dem Sorgerecht im Übrigen auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur gemeinsamen Ausübung zu belassen.
Es ist allerdings umstritten, inwieweit es dem sorgeberechtigten Elternteil ges...