Leitsatz (amtlich)
Die Landesjustizverwaltung kann aufgrund ihrer Organisationsgewalt das Auswahlverfahren zur Besetzung einer Notarstelle abbrechen und die Ausschreibung zurücknehmen, nachdem aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 20.4.2004 (BVerfG v. 20.4.2004, DNotZ 2004, 560) feststeht, dass die Anwendung und Auslegung der Auswahlmaßstäbe des § 6 Abs. 3 BNotO in den nordrhein-westfälischen Ausführungsbestimmungen i.d.F. vom 8.3.2002 (AVNot NW) nicht die verfassungsrechtlich gebotene chancengleiche Bestenauslese bei der Notarbestellung gewährleisten. Auswahlverfahren, die auf diesen Ausführungsbestimmungen beruhen, leiden an erheblichen Mängeln, die den Abbruch der Auswahlverfahren aus sachlichem Grund rechtfertigen.
Normenkette
GG Art. 12, 33 Abs. 2; BNotO § 6 Abs. 3, §§ 6b, 111
Nachgehend
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin bewarb sich auf eine der im Justizministerialblatt Nordrhein-Westfalen vom 1.6.2003 für den AGbezirk Oberhausen ausgeschriebenen vier Notarstellen. Mit Schreiben vom 16.2.2004 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, die ausgeschriebenen Notarstellen vier Mitbewerbern, u.a. dem weiteren Beteiligten zu 1), zu übertragen. In Hinblick auf den seitens der Antragstellerin daraufhin bei dem Senat gestellten Antrag gem. § 111 Abs. 1 BNotO wurde eine der ausgeschriebenen Notarstellen zunächst nicht besetzt.
Nachdem das BVerfG mit Beschl. v. 20.4.2004 (BVerfG v. 20.4.2004 - 1 BvR 838/01, MDR 2004, 1027 = DNotZ 2004, 560 ff.) festgestellt hatte, dass die Anwendung und Auslegung der Auswahlmaßstäbe des § 6 Abs. 3 BNotO in den Verwaltungsvorschriften u.a. des Landes Nordrhein-Westfalen den verfassungsrechtlichen Erfordernissen nicht genügten, nahm der Beteiligte zu 2) am 15.8.2004 die Ausschreibung u.a. der noch verbliebenen Notarstelle für den AGbezirk Oberhausen in Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG vom 20.4.2004 zurück, um eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Auswahlentscheidung zu ermöglichen. Die Antragsgegnerin brach daraufhin das zur Besetzung der am 1.6.2003 ausgeschriebenen Stellen eingeleitete Auswahlverfahren ab. Mit Wirkung zum 15.11.2004 ist u.a. die Vorschrift des § 17 der AVNot NW geändert worden (JMBl. NRW 2004, 256 ff.).
Mit Schriftsatz vom 8.3.2004, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat die Antragstellerin Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 111 BNotO gestellt, mit dem sie u.a. die nicht hinreichende Berücksichtigung ihrer Tätigkeit als Notarvertreterin und die ihrer Ansicht nach zu starke Gewichtung der Note der 2. Juristischen Staatsprüfung rügt.
Sie ist der Auffassung, die Rücknahme der Notarstellenausschreibung sei rechtswidrig. Die Entscheidung des BVerfG vom 20.4.2004 biete keinen Anlass, den Bewerberkreis zu erweitern, weil sich herausgestellt habe, dass die getroffene Auswahlentscheidung wegen der Zugrundelegung einzelner Kriterien rechtswidrig gewesen sei. Auch die bereits erfolgten Ernennungen könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden. Eine Erweiterung des potentiellen Bewerberkreises stehe vielmehr in Widerspruch zu der Entscheidung des BGH vom 3.11.2003 (BGH v. 3.11.2003 - NotZ 14/03, BGHReport 2004, 490 = NotZ 14/03). Hierzu führt die Antragstellerin im Einzelnen aus. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebiete es, bereits begonnene Auswahlverfahren unter Berücksichtigung der Stichtagsregelung des § 6b Abs. 2, 4 BNotO fortzusetzen.
Weder der Grundsatz der Bestenauslese noch Vertrauensschutzgesichtspunkte zugunsten potentieller Bewerber zwängen zu einer Wiederholung des Auswahlverfahrens. Auch das BVerfG gehe in seiner Entscheidung vom 20.4.2004 davon aus, dass bereits begonnene Verfahren rechtmäßig zu Ende zu führen seien.
Ein sachlicher Grund für die Rücknahme der Ausschreibung sei nicht zu erkennen. Sämtliche Bewerber erfüllten die Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung für die Ausübung des Notarberufs. Weder das Anforderungsprofil des § 6 BNotO noch die Sach- und Rechtslage habe sich durch die Entscheidung des BVerfG vom 20.4.2004 geändert. Die vom BVerfG dargelegten Grundsätze seien vielmehr bereits vor seiner Entscheidung bei einem rechtmäßigen Vorgehen der Justizverwaltung zu berücksichtigen gewesen. Das Besetzungsverfahren sei daher zu Ende zu führen. In diesem Rahmen komme nur eine Entscheidung zugunsten der Antragstellerin in Betracht. Daher sei nicht nur die bisherige Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin aufzuheben, sondern die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Antragstellerin zur Notarin zu bestellen. Eine Neuausschreibung führe dagegen zu einer erheblichen Verzögerung der Stellenbesetzung, wodurch ihr, der Antragstellerin, erheblicher wirtschaftlicher Schaden drohe. Hierzu führt ...