Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (amtlich)

Die Sorgfalt eines Rechtsanwalts erfordert es, dass er sich auch in Sachen, die ihm als nicht fristgebunden vorgelegt werden, in angemessener Zeit durch einen Blick in die Akten wenigstens davon überzeugt, um was es sich handelt und wie lange er sich mit der Bearbeitung Zeit lassen kann. Auch in solchen Fällen darf der Rechtsanwalt die ihm vorgelegten Akten jedenfalls nicht eine Woche lang gänzlich unbeachtet lassen.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 21.01.2010; Aktenzeichen 8 O 170/09)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 29.03.2011; Aktenzeichen VI ZB 25/10)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin vom 30.3.2010 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.1.2010 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Köln - 8 O 170/09 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Gründe

I. Der Antrag der Klägerin, ihr gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 233 ZPO ist einer Partei auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Dabei ist der Partei gem. § 85 Abs. 2 ZPO ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen.

Die Klägerin kann mit ihrem Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg haben, da die Versäumung der gem. § 529 Abs. 2 ZPO am 25.3.2010 abgelaufenen Frist zur Begründung der Berufung auf einem Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruht. Zwar ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin kein Organisationsverschulden vorzuwerfen, da er dargelegt und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Büroangestellten Frau W. L. glaubhaft gemacht hat, dass die Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten der Klägerin grundsätzlich ordnungsgemäß organisiert und einer zuverlässigen Mitarbeiterin übertragen ist. Es kann deshalb der Partei nicht als Verschulden zugerechnet werden, dass die Büroangestellte ihres Prozessbevollmächtigten abweichend von den bestehenden Anweisungen im vorliegenden Fall nur die Vorfrist notiert und diese als gewöhnliche Frist behandelt, d.h. dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Akte bei Ablauf der Vorfrist ohne besonderen Fristvermerk mit der normalen Vorlage vorgelegt hat.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat sich jedoch selbst schuldhaft verhalten. Die Sorgfalt eines Rechtsanwalts erfordert es, dass er sich auch in Sachen, die ihm als nicht fristgebunden vorgelegt werden, in angemessener Zeit durch einen Blick in die Akten wenigstens davon überzeugt, um was es sich handelt und wie lange er sich mit der Bearbeitung Zeit lassen kann. Auch in solchen Fällen darf der Rechtsanwalt die ihm vorgelegten Akten jedenfalls nicht eine Woche lang gänzlich unbeachtet lassen (BGH, Urt. v. 3.11.1997 - VI ZB 47/97 -, zitiert nach Juris). Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist die Akte mit Ablauf der Vorfrist, d.h. nach seinem eigenen Vorbringen eine Woche vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, vorgelegt worden. Hätte er, wie es geboten gewesen wäre, innerhalb dieser Woche einen Blick in die Akten geworfen, hätte er unschwer feststellen können, dass bis zum 25.3.2010 eine Berufungsbegründung einzureichen war. Tatsächlich aufgefallen ist der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist jedoch erst am 29.3.2010. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin innerhalb der Woche zwischen Vorlage und Fristablauf aus besonderen Gründen gehindert war, sich mit der Akte zu befassen oder den drohenden Fristablauf zu erkennen, ist nicht dargetan. Es ist deshalb davon auszugehen, dass ein schuldhaftes Verhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ursächlich geworden ist.

II. Die Berufung der Klägerin wird wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 13.000 EUR

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2660018

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