Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Grundstückseigentümer die an sich gebotenen Kontrollen der Standsicherheit eines in seinem Eigentum stehenden, später umgestürzten Baumes unterlassen, so kommt seine Haftung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nur in Betracht, wenn zuvor Anzeichen für eine fehlende Standfestigkeit des Baumes vorlagen, die bei einer Kontrolle hätten erkannt werden können und müssen und dem Grundstückseigentümer sodann Veranlassung zu Sicherungsmaßnahmen gegeben hätten, aufgrund derer der spätere Sturz des Baumes verhindert worden wäre. Darlegungs- und beweisbelastet hierfür ist der Anspruchsteller.
2. Ein solches Anzeichen liegt nicht allein darin, dass ein in einer abfallenden Uferböschung in freiem Gelände verwurzelter Baum am unteren Stammende einen Schrägwuchs mit einem jedenfalls deutlich unter 35 liegenden Neigungswinkel aufweist.
3. Die Verkehrssicherungspflicht eines Grundstückeigentümers bezieht sich grundsätzlich nur auf von seinem eigenen Grundstück ausgehende Gefahrenumstände. Eine Ausnahme für von einem Nachbargrundstück ausgehende Gefahren -hier: in gegenüberliegender abfallender Uferböschung wurzelnder Baum- kommt nur in Betracht, wenn diese für den in Anspruch genommenen Grundstückseigentümer selbst deutlich erkennbar sind.
4. Die lediglich aus der Gewässerunterhaltungspflicht folgende, auf Gewässer bezogene allgemeine Verkehrssicherungspflicht ist wasserwirtschaftlich geprägt und beschränkt sich auf die Gefahren, bei denen eine Beeinträchtigung der wasserwirtschaftlichen Belange zu besorgen ist. Sie begründet keine umfassende Verantwortung für einen gefahrlosen Zustand des Gewässers und seiner Uferböschungen.
Normenkette
BGB §§ 823, 839; GG Art. 34; WHG § 39
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 15.06.2016; Aktenzeichen 2 O 327/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Bonn vom 15.06.2016 - 2 O 327/14 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2, 313a ZPO abgesehen.
II. Die prozessual bedenkenfreie Berufung ist nicht begründet. Das LG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden steht der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) bis 3) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Ein Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB auf Grund einer für die behaupteten Schäden ursächlich gewordenen Verkehrssicherungspflichtverletzung hinsichtlich des umgestürzten Baumes besteht nicht, selbst wenn zu Grunde gelegt wird, dass die Beklagte zu 1) Eigentümerin des Grundstücks ist, auf dem der Baum wurzelte.
Das Eigentum an dem Baum ist nämlich nur dann haftungsbegründend, wenn sich insofern vor dem Unfalltag für einen sachkundig Urteilenden die naheliegende Gefahr ergab, dass Rechtsgüter eines Dritten verletzt werden könnten und der Schadensfall daher nicht allein in den Risikobereich der Klägerin fiel.
Es ist schon nicht schlüssig dargelegt, dass der Baum erkennbar gefährlich war, es also Anzeichen für seine fehlende Standfestigkeit gab, die bei einer - von der Beklagten zu 1) unstreitig nicht durchgeführten - Kontrolle hätten erkannt werden können und müssen und für die Beklagte zu 1) sodann Veranlassung zu Sicherungsmaßnahmen gegeben hätten.
Dass der Baum, wie nunmehr von der Klägerin vorgetragen, mit einer Neigung von 45 gewachsen und damit als Solitär besonders windanfällig gewesen sei, lässt sich mit den bei der Akte befindlichen Lichtbildern, etwa den im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren zum Az. 116 UJs 990/13 StA Bonn zeitnah gefertigten, nicht vereinbaren. Sie geben allenfalls einen Neigungswinkel von 35 her (Bl. 20 der Ermittlungsakte). Dabei handelt es sich jedoch nicht um den Winkel, den die Beklagte zu 1) vor dem Sturz hätte feststellen können. Denn wie aus den Lichtbildern, Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 04.05.2016 (Bl. 340 bis 342 d.A.), zu ersehen ist, ist der Baum beim Sturz z.T. entwurzelt worden, wodurch sich der Neigungswinkel deutlich verstärkt hat. Dann aber lag zuvor keine ungewöhnlich stark ausgeprägte Schrägstellung vor, die Veranlassung zu Sicherungsmaßnahmen gegeben hätte.
Andere erkennbare Zeichen für eine fehlende Standfestigkeit des Baumes sind ebenfalls nicht dargelegt. Konkret stellt die Klägerin insoweit allein auf die Verfärbung im Stammesinneren ab. Ob es sich dabei um farblich abgesetztes Kernholz handelt oder schadhaftes, etwa faules, Holz kann dahinstehen, weil jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass diese Verfärbung der Beklagten zu 1) erkennbar war. Ein Anscheinsbeweis kommt der Klägerin nicht zu gute, weil es insofern keinen typischen Geschehensablauf gibt. Ob ein Baum, bevor er umstürzt, bei einer normalen Sichtkontrolle Krankheitssymptome aufweist, ist vielmehr durch keine Erfahrung...