Leitsatz (amtlich)

Die Ausschlusswirkung und Duldungspflicht gemäß § 75 Abs. 2 S. 1 VwVfG erfasst nicht nur öffentlich-rechtliche Ansprüche, sondern auch privatrechtliche Immissionsschutz- bzw. Ausgleichsansprüche, wie sie unter anderem in §§ 823, 906 f. und 1004 BGB vorgesehen sind. Sie gilt nicht nur im Fall unanfechtbar planfestgestellter Vorhaben oder Anlagen, sondern auch dann, wenn diesen eine bestandskräftige Plangenehmigung gemäß § 74 Abs. 6 VwVfG zugrunde liegt. § 75 Abs. 2 S. 2 bis 4 VwVfG sehen insofern ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten vor.

 

Normenkette

BGB §§ 906, 1004; VwVfG § 74 Abs. 6, § 75 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 06.08.2015; Aktenzeichen 18 O 274/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Köln vom 06.07.2015, Az. 18 O 274/13, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über immissionsrechtliche Ansprüche wegen Geräuschen und Erschütterungen, die von dem Betrieb einer Schienenverkehrsstrecke ausgehen. Der Kläger ist seit 1998 Eigentümer des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks F-weg X in Q (Gemarkung Q, Flur X, Flurstück XXX). Angrenzend an dieses Grundstück, in einer Entfernung von circa 18 Metern zum Haus des Klägers, verläuft - grundsätzlich bereits seit ihrer ursprünglichen Inbetriebnahme im Jahr 1899, wobei zwischen 1905 und 1915 der zweigleisige Ausbau erfolgte - die Eisenbahnstrecke Nr. XXXX von L nach H. Eigentümerin des Bahngrundstücks ist die Beklagte. Auf Grundlage der Plangenehmigung nach § 18 Abs. 2 AEG des Eisenbahn-Bundesamtes, Außenstelle L, vom 18.09.2006, Az. XXX21/60XXX Pap XXX/04, erfolgte im Frühjahr 2008 der Einbau einer neuen Weiche unmittelbar vor dem Grundstück des Klägers. Zudem wurde weiter entfernt ein elektronisches Stellwerk errichtet. Ab August 2008 forderte der Kläger per Email und später auch schriftlich von der Beklagten eine Reduzierung der Immissionen des Bahnbetriebs.

Der Kläger hat behauptet, dass es nach Fertigstellung und Inbetriebnahme der neuen Weiche vor seinem Haus zu einer erheblichen Steigerung der Immissionen des Bahnbetriebs gekommen sei, da die Schienen nun nicht mehr durchgehend miteinander verbunden waren. Sowohl Lärm als auch Erschütterungen gingen seit Abschluss der Baumaßnahme über das zulässige Maß hinaus und beeinträchtigten ihn als Eigentümer und Vermieter in wesentlichem Maße, wobei er auf die im vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren des LG Köln, Az. 21 OH 13/10, eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. L2 vom 22.06.2011 und Dr. L3 vom 12.05.2011 verweist, auf die der Senat wegen der weiteren Einzelheiten Bezug nimmt. Seine Mieter litten aufgrund der Immissionen unter Schlafstörungen, Bluthochdruck und weiteren Gesundheitsbeschwerden, außerdem sei der Verkehrswert seines Grundstücks gesunken. Der Beklagten sei es weiterhin möglich, diese Beeinträchtigungen durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen, wie unter anderem eine Geschwindigkeitsbegrenzung, den Ausschluss klotzgebremster Waggons, das Schleifen und Schmieren der Schienen oder den Einsatz von Brückenabsorbern sowie Gabionen zu beseitigen.

Die Beklagte hat bestritten, dass sich die vom Bahnbetrieb ausgehenden Geräusch- und Erschütterungsimmissionen durch die Arbeiten im Jahr 2008 erhöht hätten. Die Baumaßnahmen dienten ausschließlich der Erhaltung und Aktualisierung der Infrastruktur, ohne dass es sich um wesentliche Änderung gehandelt habe. Die vom Bahnbetrieb ausgehenden Immissionen stellten nach wie vor keine wesentliche Beeinträchtigung dar. Jedenfalls müssten zivilrechtliche Immissionsschutzansprüche hinter die gegen die Plangenehmigung vom 18.09.2006 gegebenen Rechtsbehelfe - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Ausschlusswirkung von Planfeststellungsbeschlüssen - zurücktreten. Lärmschutzmaßnahmen seien auch wirtschaftlich unzumutbar.

Im Übrigen haben die Parteien unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob, in welcher Form und welche immissionsrechtlichen Grenzwerte bei Beurteilung der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung als Entscheidungshilfe herangezogen werden dürfen, und ob der so genannte "Schienenbonus" von 5 Dezibel gemäß Anlage 2 zur 16. BImSchV in Ansatz zu bringen ist oder nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zwischen den Parteien streitigen Sachverhalts sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das Urteil des LG Köln vom 06.07.2015 verwiesen. Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die erstinstanzlich gestellten Anträge seien nicht hinreichend besti...

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