Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 5 O 439/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und nach Abtrennung der gegen die ehemalige Beklagte zu 3) gerichteten Ansprüche wird das am 23.07.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 5 O 439/12 -, soweit es die Beklagten zu 1) und 2) betrifft, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 57.150,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2013 zu zahlen, die Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin weitere 125.566,68 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02. 2013 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1) und 2) aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen resultieren.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Revisionsinstanz tragen die Beklagten zu 1) und 2) zu 31 % als Gesamtschuldner, zu weiteren 69 % die Beklagte zu 1) alleine.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten dürfen die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die klagende Bundesagentur für Arbeit macht Ansprüche gegen die Beklagten aufgrund der Veruntreuung von Leistungsgeldern im Rahmen der Bearbeitung von Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) durch die Beklagte zu 1) geltend, soweit diese Gelder nach Behauptung der Klägerin aufgrund der internen Zuordnung der Träger der ARGE bzw. des Jobcenters auf ihren Schaden entfallen (s. Anlage K 3 a bis 3 c).
Diese Ansprüche hat die Klägerin ursprünglich in diesem Rechtsstreit nicht nur gegen die Beklagte zu 1) und deren Tochter, die Beklagte zu 2), sondern auch - jeweils als Gesamtschuldnerinnen - gegen die Stadt C (frühere Beklagte zu 3)), die die Beklagte zu 1) als Mitarbeiterin der ARGE Rhein-Erft zur Verfügung gestellt hatte, geltend gemacht.
Durch Vertrag vom 23.12.2004 schlossen die Agentur für Arbeit C2 und der Rhein-Erft-Kreis eine Vereinbarung über die Gründung und Ausgestaltung der Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44 Abs. 2 SGB II (Anlage K 4) zur Wahrung der den Parteien obliegenden Aufgaben im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (B). Auf der Grundlage eines Dienstleistungsüberlassungsvertrag vom 30.06.2005 (Anlage K 6) zwischen der so gegründeten ARGE Rhein-Erft (im folgenden:ARGE) und der Klägerin sowie zahlreicher kreisangehöriger Gemeinden, u.a. der früheren Beklagten zu 3), wurde die Beklagte zu 1) als Mitarbeiterin der früheren Beklagten zu 3) der ARGE zugewiesen und dort als Sachbearbeiterin mit der Bewilligung von Leistungen einschließlich von Auszahlungen betraut.
In der Zeit von Februar 2006 bis Oktober 2009 manipulierte die Beklagte zu 1) Akten von Leistungsempfängern derart, dass sie insgesamt 325 unberechtigte Zahlungsvorgänge generierte. Das entsprechende Geld ließ sie an einem am Standort der Arbeitsverwaltung in C befindlichen Bargeldautomaten abholen, um es für sich zu verwenden. Hierdurch entstand ein Gesamtschaden von 272.692,85 EUR. In 122 Fällen hob die Beklagte zu 2) die von der Beklagten zu 1) zur Auszahlung bereitgestellten Beträge von dem am Standort der Klägerin befindlichen Bargeldautomaten ab.
In 31 weiteren Fällen überwies die Beklagte zu 1) für fiktive Leistungsempfänger insgesamt 38.883,52 EUR auf das Girokonto der Beklagten zu 2), welches diese ihr hierfür zur Verfügung gestellt hatte.
Die Beklagte zu 1) wurde wegen gewerbsmäßiger Untreue als Amtsträgerin in 356 Fällen, die Beklagte zu 2) wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen Untreue in 153 Fällen strafrechtlich verurteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Urteile des AG Bergheim vom 26.07.2010 (Az.: 42 Ls-83 Js 570/09 - 13/10) sowie des LG Köln vom 20.06.2012 (Az.: 153 Ns 138/ 10) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 23.07.2013 - Az.: 5 O 439/12 -, auf das wegen der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen Bezug genommen wird (Bl. 84 ff. GA), insgesamt abgewiesen. Die Klageabweisung hat es in Bezug auf die Beklagten zu 1) und 2) auf die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin gestützt. Zwar stünde den geltend gemachten Ansprüchen nicht der Umstand entgegen, dass das BVerfG mit Urteil vom 20.12.2007 (NJW 2008, 1212) die ursprüngliche gesetzliche Regelung hinsichtlich der Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44b SGB II für verfassungswidrig erklärt habe. Jedoch sei die Klägerin nicht Inhaberin der geltend gemachten Ansprüche. Geschädigte und Anspruchsinhaberin sei vielmehr die selbst (teil-) rechtsfähige ARGE bzw. nach der gesetzlichen Neuregelung das Jobcenter als deren Nachfolger. Eine Geltendmachung dieses Anspruchs durch die Klägerin komme nicht in Betracht, weil ein Mitgesellschafter einer Gesellschaft ...