Leitsatz (amtlich)
§ 912 BGB ist auf den Fall der Verletzung des Grenzabstandes analog anwendbar.
Ein Anspruch auf ein Notleitungsrecht kann grundsätzlich auch dann bestehen, wenn mit ihm nicht der Anschluss an ein öffentliches Kanalsystem sondern die Einleitung in ein öffentliches Gewässer gegehrt wird.
Landesrechtliche Vorschriften über ein Notleitungsrecht haben Vorrang vor einer analogen Anwendung des § 917 BGB.
Normenkette
BGB §§ 912, 917; EGBGB § 124; ZPO §§ 529, 533; BauONW § 6; LWGNW §§ 51a, 128 ff.
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 21 O 255/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.2.2002 verkündete Urteil des LG Köln – 21 O 255/01 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird in dem, in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Nachbarn. Im Jahre 1998 erstellten die Beklagten einen Anbau an ihrem Wohnhaus in R., I. K. 4. Die Einmessung des Baukörpers erfolgte durch das Ingenieurbüro Z. & U. Der Bau wurde durch die Firma PO G. errichtet. Die Firma W. & T. AG erstellte die Schalung. Der Anbau wurde am 15.5.1998 fertiggestellt. Im Oktober 1998 stellte der Kläger im Rahmen von ihm an der Grundstücksgrenze vorgenommenen eigenen Messungen fest, dass der zu seiner Grundstücksgrenze hin errichtete Teil des Anbaus nicht den nach § 6 BauONW vorgeschriebenen Abstand von 3 Metern einhielt. Hierauf machte er den Beklagten am 29.10.1998 aufmerksam. Die anschließend durchgeführte Überprüfung des Grenzabstandes durch die öffentlich bestellten Vermessungsingenieure Dipl. Ing Z. & U. ergab am 27.11.1998 eine Unterschreitung des vorgeschriebenen Abstandes von 11 cm. Diese Unterschreitung beruht unstreitig darauf, dass der Rohbau genau den Grenzabstand von 3m einhält und die auf die Außenwand aufgebrachte Wärmedämmung einschließlich Anstrich und Putz die Unterschreitung verursacht hat.
Der Kläger hatte ursprünglich sein Abwasser durch eine unter anderem über das Grundstück der Beklagten und das Grundstück des Eigentümers S. laufende Leitung in den R. bach geleitet, so wie es auch der vorherige Eigentümer seines Grundstücks V. aufgrund einer ihm im Jahre 1992 erteilten privatschriftlichen Erlaubnis des Beklagten getan hatte. Im Jahr 1997 stellten die Beklagten die Durchleitung des Abwassers ein. Für eine Ableitung des Regenwassers in den R. bach benötigt der Kläger eine wasserrechtliche Erlaubnis und begehrt hierfür die Zustimmung des Beklagten hinsichtlich der Durchleitung des Niederschlagswassers über deren Grundstück. Als der Kläger Ende 1998 die Beklagten um die entsprechende Zustimmung bat, versagten diese ihre Zustimmung unter anderem mit dem Hinweis auf die inzwischen vorgenommene Gartengestaltung, die in Folge etwaiger Reparaturarbeiten an der Rohrleitung beeinträchtigt werden könne.
Ein öffentlicher Abwasserkanal verläuft unter der Straße „Auf dem X.”. Wegen der Einzelheiten von Lage und Verlauf der Grundstücke und des Kanals sowie der ursprünglichen Leitung wird auf den Lageplan Anlage B7 (GA 53) Bezug genommen.
Der Kläger hat mit der Klage von den Beklagten die Beseitigung des Überbaus sowie die Gestattung der Durchleitung des Niederschlagswassers begehrt.
Das LG hat mit Urt. v. 21.2.2002, auf dessen Inhalt wegen sämtlicher Einzelheiten Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen des auf den Fall der Unterschreitung des Grenzabstandes analog anwendbaren § 912 Abs. 1 BGB nicht erfüllt seien. Es sei schon fraglich, ob den Beklagten an der Unterschreitung des Grenzabstandes überhaupt ein Verschulden treffe; allenfalls liege ein fahrlässiger Verstoß vor, gegen den der Kläger nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben habe.
Hinsichtlich des mit der Klage begehrten Notleitungsrechts fehle es an den Voraussetzungen des analog anzuwenden § 917 BGB.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Klage auf die Ehefrau des Beklagten erweitert, und mit der er hilfsweise die Zahlung einer Überbaurente verlangt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Er verneint die analoge Anwendbarkeit des § 912 BGB auf den Fall der Verletzung des Grenzabstandes. Gegen die Verfristung seines Widerspruchs wendet er sich mit der Ansicht, im Falle der Verletzung des Grenzabstandes müsse das Tatbestandsmerkmal des sofortigen Widerspruchs eine extensivere Auslegung erfahren. Er ist weiterhin der Ansicht, dass sich sein Anspruch auf ein Notleitungsrecht sowohl aus § 917 BGB ergebe, da ein Anschluss an den öffentlichen Kanal nicht möglich und Maßnahmen auf seinem Grundstück wirtschaftlich unzumutbar seien, als auch im Hinblick auf die langjährige Duldung der Durchleitung aus dem nachba...