Leitsatz (amtlich)
Sind deliktische Ansprüche des Erwerbers eines vom "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeuges gegen den Hersteller verjährt, so kommt ein Anspruch aus § 852 S. 1 BGB in Betracht. Das gilt auch dann, wenn es sich um den Kauf eines Gebrauchtwagens gehandelt hat.
Normenkette
BGB §§ 195, 199, 826, 852
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 13 O 215/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Bonn (13 O 215/20) vom 29.04.2021 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.804,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2021 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer A zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2021 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des VW Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer A in Annahmeverzug befindet.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 53 % und die Beklagte 47 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 43 % und die Beklagte 57 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte im sogenannten Abgasskandal in Anspruch.
Wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Am 20.01.2015 (Anl. K1, Bl. 63 GA) erwarb der Kläger von einem Händler einen gebrauchten VW Passat mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor EA 189 und einem Kilometerstand von 80.767 km zum Preis von 18.500 EUR.
Die Laufleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2021 betrug 178.611 km.
Verjährungshemmende Maßnahmen hat der Kläger nicht ergriffen. Eine Beteiligung an der Musterfeststellungsklage ist nicht erfolgt. Seine gegen die Beklagte gerichtete Schadensersatzklage ist am 10.12.2020 bei Gericht eingegangen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Es hat Ansprüche des Klägers als verjährt angesehen. Spätestens seit dem Erhalt des Schreibens der Beklagten im Februar 2016, durch welches die Beklagte alle Fahrzeughalter informiert habe, habe der Kläger Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeuges von dem sogenannten Abgasskandal gehabt, so dass die Verjährung mit Ablauf des Jahres 2016 zu laufen begonnen habe und mit Ablauf des 31.12.2019 eingetreten sei.
Einen Anspruch des Klägers nach § 852 BGB auf Restschadensersatz hat das Landgericht verneint. Unter Verweis auf OLG Stuttgart, Urteil vom 02. Februar 2021 - 10 U 229/20 - stehe einem Anspruch nach § 852 BGB entgegen, dass die Beklagte aufgrund der von ihr durch Inverkehrbringen des Fahrzeugs begangenen unerlaubten Handlung nichts auf Kosten des Klägers erlangt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen die Abweisung der Klage wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags macht er geltend, es sei keine Verjährung eingetreten; aus den Rückrufschreiben, die ab Februar 2016 verschickt worden seien, habe sich für die Fahrzeugkäufer nicht ergeben, dass sie als Anspruchsgläubiger in Betracht kämen. Im Übrigen habe durch das Aufspielen des Software-Updates die Verjährung neu zu laufen begonnen, weil die Beklagte hierdurch die Ansprüche der Klagepartei anerkannt habe. Jedenfalls sei auf Grund des Aufspielens des Software-Updates ein neuer Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 826 BGB wegen der Implementierung des sogenannten Thermofensters entstanden. Zumindest stehe dem Kläger ein Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 BGB zu.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des am 29.04.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Bonn mit dem Aktenzeichen 13 O 215/20,
1. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke: Volkswagen, Typ: Passat mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer A an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 18.500 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen B...