Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 10 O 433/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 06.04.2021 wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.971,94 EUR nebst Zinse in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.11.2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkw VW Tiguan (FIN: A) zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz dafür zu leisten, dass er am 15.01.2014 bei der B GmbH einen PKW VW Tiguan zum Preis von 23.250,02 EUR zuzüglich 797,98 EUR Kosten für die Überführung und Zulassung, insgesamt 24.048,00 EUR bestellt hat (Bl. 17. d. A.), der nach Erstzulassung am 06.02.2014 mit einer Laufleistung von 8 km am 07.02.2014 an ihn ausgeliefert worden ist. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Motor mit der Bezeichnung EA189 ausgestattet. Bei diesen Motoren verfügt die Motosteuerungssoftware über eine sog. Prüfstandserkennung, die dazu führt, dass die Abgasreinigung auf dem Prüfstand anders funktioniert als im Normalbetrieb. Das Kraftfahrt-Bundesamt hat deshalb einen Rückruf für Fahrzeuge mit diesem Motor angeordnet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts Aachen vom 06.04.2021 (Bl. 8 ff. d. eA.) verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Einem etwa bestehenden Schadensersatzanspruch des Klägers stehe die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Im Zeitpunkt der Klageerhebung im Oktober 2020 sei die Verjährungsfrist, die bereits 2015 zu laufen begonnen habe, bereits verstrichen gewesen. Auch aus § 852 BGB ergebe sich der geltend gemachte Anspruch nicht, weil der Schaden in Form des ungewollten Vertragsschlusses keinen wirtschaftlichen Nachteil darstelle.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers. Er ist der Auffassung, dass der Anspruch sich zumindest aus § 852 BGB ergebe.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des LG Aachen vom 06.04.2021 - 10 O 433/20 -
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.048,00 Euro (Kaufpreis mit Nebenkosten), zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Euro, die sich nach der Formel 23.250,01 Euro (Kaufpreis ohne Nebenkosten) × Kilometerstand bei Rückgabe des Fahrzeuges : 300.000 km berechnet, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw VW Tiguan, Baujahr: 2014, Farbe: Schwarz, FIN: A.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II. Die Berufung ist zulässig und hat auch überwiegend Erfolg. Dem Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB steht zwar die Einrede der Verjährung entgegen, jedoch kann er die Zahlung des ihm danach zustehenden Betrages aus § 852 BGB verlangen.
1a) Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. bereits Beschluss vom 03.01.2019 - 18 U 70/18 -, NJW-RR 2019, 984), die in den wesentlichen Punkten inzwischen durch den Bundesgerichtshof bestätigt worden ist (Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962), dass den Erwerbern von Fahrzeugen der Beklagten mit dem Motor EA189 ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zusteht. Auf die Ausführungen in den zitierten Entscheidungen wird Bezug genommen.
b) Allerdings steht dem Kläger als Schadensersatz nicht der volle Kaufpreis zu, vielmehr ist hiervon der Wert der gezogenen Nutzungen abzuziehen. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats, die zwischenzeitlich ebenfalls vom Bundesgerichtshof gebilligt wurde (vgl. Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962 Rn. 64 ff.). Für die Berechnung des Wertersatzes für gezogene Nutzungen geht der Senat von folgender Formel aus:
Kaufpreis × Fahrleistung des Klägers
300.000 km - Fahrleistung vor Erwerb des Klägers.
aa) Ausgangspunkt der Berechnung ist der vom jeweiligen Erwerber tatsächlich erbrachte Kaufpreis. Es besteht keine Veranlassung, von einem niedrigeren Betrag auszugehen, weil das Fahrzeug mit einem Mangel behaftet war. Dieser wirkt sich auf die Möglichkeit, das Fahrzeug seiner Bestimmung gemäß zu nutzen, nicht erkennbar aus. Zudem ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Vorteil darin liegt, dass der Käufer die Abnutzung eines anderen, zum gleichen Preis erworbenen, aber mangelfreien Fahrzeugs erspart hat.
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