Leitsatz (amtlich)

1. Der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis ist entkräftet, wenn der Vorausfahrende in engem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Unfall die Fahrspur gewechselt hat. Die bloße Behauptung eines Fahrspurwechsels reicht dazu nicht aus. Es müssen sich aus den unstreitigen oder in der Beweisaufnahme festgestellten Umständen zumindest konkrete Anhaltspunkte und Indizien ergeben, dass dies so gewesen ist.

2. Der Anscheinsbeweis hilft dem Halter und Fahrer bei dem von ihm zu erbringenden Beweis der Unabwendbarkeit nicht. Die Betriebsgefahr ist mit einer Quote von 20 % anzusetzen.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 10.10.2002; Aktenzeichen 6 O 9/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Köln vom 10.10.2002 – 6 O 9/02 – teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.670,87 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 6.288,75 Euro vom 20.11.2001 bis zum 20.12.2001 und aus 4.670,87 Euro seit dem 21.12.2001 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten der 1. Instanz tragen der Kläger zu 27 %, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 73 %. Die Kosten der Berufungsinstanz tragen der Kläger zu 40 %, die Beklagten als Gesamtschuldner zu 60 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Verkehrsunfall, der sich am Abend des 21.10.2001 auf der J-Straße in L. ereignete. Beteiligt waren der Kläger als Fahrer und Halter eines Citroen mit dem amtlichen Kennzeichen … und der Beklagte zu 1) als Fahrer und Halter eines Saab mit dem amtlichen Kennzeichen …, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war.

Der Kläger und der Beklagte zu 1) befuhren beide die J-Straße in Richtung A. Der Unfall ereignete sich im Bereich der F-Straße, wo sich die J-Straße von 2 auf 3 Spuren erweitert. Vor der Ampelkreuzung M-Straße/N-Straße hatte sich ein Rückstau gebildet. Am Ende dieses Rückstaus fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug auf das Fahrzeug des Klägers auf. Das Fahrzeug des Klägers wurde hinten links, das Fahrzeug des Beklagten zu 1) vorne rechts beschädigt. Insgesamt entstand unstreitig ein Sachschaden (einschl. Wertminderung, Nutzungsausfall und Kostenpauschale) für den Kläger i.H.v. 12.321,67 Euro = 24.099,09 DM.

Der Kläger behauptet, er habe auf der rechten Fahrspur hinter dem letzten dort stehenden Fahrzeug angehalten. Nachdem er bereits etwa 5 bis 10 Sekunden gestanden habe, sei der Beklagte zu 1) aufgefahren. Der Beklagte zu 1) hingegen trägt vor, er habe den Stau auf der rechten Fahrspur bemerkt und sei deshalb auf die an dieser Stelle beginnende mittlere Fahrspur gefahren, die „relativ frei” gewesen sei. In dem Moment, als er unmittelbar hinter dem Fahrzeug des Klägers gewesen sei, sei dieser, ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu betätigen, ebenfalls nach links auf die mittlere Fahrspur ausgeschert, so dass er nicht mehr in der Lage gewesen sei, sein Fahrzeug abzubremsen.

Der Kläger hat vollen Schadensersatz i.H.v. 12.321,67 Euro = 24.099,09 DM begehrt. Die Beklagte zu 2) hat vor Zustellung der Klage am 12.12.2001 einen Betrag von 6.979,56 DM (3568,59 Euro) gezahlt. In dieser Höhe hat der Kläger die Klage zurückgenommen. Nach Zustellung der Klage am 18.12.2001 hat die Beklagte zu 2) am 20.12.2001 weitere 3.164,29 DM (1.617,88 Euro) gezahlt. In dieser Höhe haben die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 23.4.2002 übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das LG hat dem Kläger den Ersatz der Hälfte seines Schadens zugebilligt. Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen hat es die Beklagten zur Zahlung weiterer 1.905,69 DM (974,36 Euro) verurteilt. Es hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Polizeibeamten, der den Unfall aufgenommen hat, und durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen I. Außerdem hat es den Kläger und den Beklagten zu 1) zum Unfallhergang angehört.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger weiterhin sein Begehren, den vollen Schaden i.H.v. 12.321,67 Euro = 24.099,09 DM ersetzt zu erhalten. Unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen beantragt er, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 12.049,54 DM = 6.160,83 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2001 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 10.10.2002 (Bl. 131 ff. d.A.) Bezug genommen (§ 540 I Nr. 1 ZPO n.F.).

II. Die zulässige, insb. statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen über den vom LG ausgeurteilten Betrag von 974,36 Euro hinausgehenden Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. insgesamt noch 4.670,87 Euro gem. §§ 7 Abs. 1, 17 Ab...

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