rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienrecht. Jugendamt als gesetzlicher Vertreter
Leitsatz (amtlich)
Ist das Jugendamt Beistand für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes, so ist es insofern dessen gesetzlicher Vertreter; aufgrund dieser Stellung kann es eine schon bestehende Unterhaltsvereinbarung auch ohne Mitwirkung des sorgeberechtigten Elternteils abändern.
Normenkette
BGB a.F. §§ 1685, 1690; BGB n.F. § 1712 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Waldbröl (Aktenzeichen 12 F 455/99) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Waldbröl vom 8. Februar 2000 (12 F 455/99) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Nach dem Sachverhalt, der sich aus dem erstinstanzlichen Vortrag der Parteien, der Berufungserwiderung und dem eigenen Vorbringen des Beklagten im Berufungsverfahren ergibt, ist die Zwangsvollstreckung aus Ziff. 3 des gerichtlichen Vergleiches vom 25. Januar 1993 für unzulässig zu erklären, weil danach das Jugendamt als Vertreter des Beklagten mit dem Kläger eine Vereinbarung dahin getroffen hat, dass er „in Abänderung des vorstehenden Titels” (nämlich des gerichtlichen Vergleiches) den in der Jugendamtsurkunde vom 1. Oktober 1996 titulierten Kindesunterhalt zahlen sollte. Unstreitig ist, dass das Kreisjugendamt durch Beschluss des Amtsgerichts Gummersbach vom 10. Juni 1996 als Beistand für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gemäß §§ 1685, 1690 BGB alter Fassung bestellt worden ist. Mit Schreiben vom 16. September 1996 trat das Kreisjugendamt an den Kläger heran, um den Unterhalt zu erörtern. Wie die Parteien im Berufungsverfahren übereinstimmend ausgeführt haben und auch aus dem Schreiben des Kreisjugendamtes vom 5. November 1996 (Bl. 143 d.A.) hervorgeht, nahm das Kreisjugendamt bei der Errichtung der Urkunde eine Unterhaltsverpflichtung des Klägers in Höhe eines Tabellenbetrages von 735,00 DM an, von dem ein anteiliges Kindergeld in Höhe von 100,00 DM monatlich abzuziehen war. Dabei ging man davon aus, dass das Kindergeld zukünftig nicht mehr an den Kläger, sondern an seine geschiedene Ehefrau ausgezahlt würde. Dies geschah später auch. Hieraus erklärt sich, dass in der Jugendamtsurkunde ein Betrag von 635,00 DM tituliert wurde.
2. Aus diesem unstreitigen Tatbestand ergibt sich, dass die Vollstreckungsgegenklage nach §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 795, 767 ZPO begründet ist.
Das Kreisjugendamt war aufgrund seiner Bestellung als Beistand für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen nach § 1690 BGB alter Fassung insoweit gesetzlicher Vertreter des Beklagten (vgl. BGH FamRZ 1981, 685; OLG Düsseldorf FamRZ 1985, 641, 641; Münchner Kommentar/Hinz, BGB 3. Aufl. § 1690 Rdnr. 6; Palandt-Diederichsen, BGB56. Aufl. § 1690 Rdnr. 2). In dieser Stellung kann das Jugendamt schon bestehende Unterhaltsvereinbarungen abändern. Dies wird in § 1712 Nr. 2 BGB neuer Fassung dadurch klargestellt, dass die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ausdrücklich auch die Verfügung über diese Ansprüche umfasst. Die Geltendmachung bezieht sich auf die gerichtliche und außergerichtliche Verfolgung, einschließlich der Zwangsvollstreckung und etwaiger Abänderungsverfahren (Palandt-Diederichsen, BGB 60. Aufl. § 1712 Rdnr. 5; Staudinger-Rauscher, BGB 13. Bearb. § 1712 Rdnr. 23).
Die vom Kreisjugendamt mit dem Kläger getroffene Vereinbarung, die zu der Errichtung der Urkunde am 1. Oktober 1996 führte, ist daher auch für den Beklagten bindend. Sie ist dahin auszulegen, dass für den Unterhaltsanspruch des Beklagten als Vollstreckungstitel anstelle des gerichtlichen Vergleichs vom 25. Januar 1993 die Jugendamtsurkunde treten sollte. Schon nach ihrem Wortlaut, wonach der nunmehr titulierte Unterhalt „in Abänderung des vorstehenden Titels” (nämlich des gerichtlichen Vergleiches) geschuldet wird, umfasst die Urkunde den gesamten Unterhalt des Beklagten. Für eine weitere Vollstreckung aus dem Vergleich bestand aus der Sicht beider Parteien kein Grund mehr. Bei der gebotenen Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen (§§ 157, 242 BGB) ist der Vereinbarung ein Verzicht auf die Vollstreckung aus dem Vergleich zu entnehmen. Hierbei handelt es sich um eine rechtlich zulässige vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung (vgl. BGH NJW-RR 1990, 390, 391; FamRZ 1982, 782, 783 f.; 1988, 270, 271; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 311 = NJW-RR 1999, 941 = MDR 1998, 1433; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 59. Aufl. Grundz. § 704 Rdnr. 27 Stichwort „Verzicht des Gläubigers”). Da diese Vereinbarung ihre Grundlage im materiellen Recht hat, ist sie nach ganz herrschender Meinung auch im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage zu berücksichtigen (vgl. BGH und OLG Karlsruhe a.a.O; Münchner Kommentar/Karsten Schmidt, ZPO 2. Aufl. § 766 Rdnr. 33 ff.; Baumbach/Lauter...