Leitsatz (amtlich)

Verweist das für den Sitz der ausstellenden Bank örtlich zuständige Gericht ein Aufgebotsverfahren wegen Kraftloserklärung eines Sparbuchs an das Gericht, das für die das betroffene Sparkonto führende Filiale zuständig ist, kann einem derartigen Beschluss - ungeachtet der Frage, ob sich die Zuständigkeit sachlich zutreffend nach § 466 Abs. 1 Satz 1 oder aber nach Satz 2 FamFG bestimmt - Bindungswirkung beizumessen sein.

 

Normenkette

FamFG §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 466 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Potsdam

AG München

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das AG Potsdam.

 

Gründe

I. Die in Potsdam wohnhafte Beteiligte beantragte am 15.12.2015 beim AG München (Az. 103 UR II 291/15) die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung eines auf sie und ihren verstorbenen Ehemann ausgestellten Sparbuchs der H.-Bank. Das Bankhaus in der Rechtsform der Aktiengesellschaft hat seinen Sitz in München und unterhält in Potsdam eine Filiale; bei dieser wird das Sparkonto auch geführt.

Das AG München hat sich mit Beschluss vom 7.1.2016 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren auf Antrag der Beteiligten an das AG Potsdam verwiesen (§ 3 FamFG). Es hat zur Begründung ausgeführt, zuständig sei nach § 466 Abs. 1 FamFG das Gericht, bei welchem der Erfüllungsort der Urkunde liege. Dafür sei nicht der Hauptsitz der ausstellenden Bank, sondern der Wille der Parteien des Sparvertrags maßgeblich. Aus diesem ergebe sich hier der Erfüllungsort in Potsdam. Dort sei das Sparbuch ausgestellt und dessen Abwicklung erfolgt; dort wohne die Antragstellerin und habe ihr verstorbener Ehemann gelebt.

Das AG Potsdam hat sich mit Beschluss vom 26.1.2016 (Az. 56 AR 2/16 (2)) seinerseits für unzuständig erklärt und das Verfahren zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht München vorgelegt. Es meint, die Zuständigkeit richte sich mangels Bestimmung eines Erfüllungsorts nach § 466 Abs. 1 Satz 2 FamFG, weil der Bankkunde bei jeder Filiale in Deutschland nach Vorlage der Sparurkunde eine Auszahlung begehren könne. Demnach komme es auf den allgemeinen Gerichtsstand der Bank an, der sich in München befinde.

II. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München folgt aus § 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG, weil das nächsthöhere gemeinsame Gericht der Bundesgerichtshof ist und das zuerst befasste Gericht, das AG München, zu dessen Bezirk gehört.

1. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung sind hier gegeben (vgl. OLG Brandenburg BeckRS 2013, 09138). Insoweit gelten namentlich für die Einleitung durch gerichtliche Vorlage wie für die Notwendigkeit einer "rechtskräftigen" Unzuständigerklärung vergleichbare Grundsätze wie bei Zuständigkeitskonflikten im Rahmen von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (Keidel/Sternal FamFG 18. Aufl. § 5 Rn. 25, Rn. 37).

2. Örtlich zuständig ist das AG Potsdam, weil es an den gemäß § 3 Abs. 1 FamFG nach Anhörung der Antragstellerin (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 FamFG) ergangenen Beschluss des AG München gebunden ist.

a) Der Gesetzgeber hat in § 3 Abs. 3 FamFG die grundsätzliche Unanfechtbarkeit solcher Verweisungsbeschlüsse und deren Bindungswirkung angeordnet, was im Bestimmungsverfahren fortwirkt und demnach vom Senat zu beachten ist (vgl. BGH NJW-RR 1993, 1091; 1994, 126/127; Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 28 zu § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO). Um langwierige Zuständigkeitsstreitigkeiten unter Gerichten auszuschließen, wird es hingenommen, dass auch unrichtige oder verfahrensfehlerhaft ergangene Beschlüsse grundsätzlich binden und demnach selbst ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss regelmäßig der Nachprüfung entzogen ist (siehe Zöller/Vollkommer § 36 Rn. 28 m.w.N.). Nur ausnahmsweise tritt die Bindungswirkung dann nicht ein, wenn die Verweisung jeder Rechtsgrundlage entbehrt und daher - objektiv - willkürlich ist (BGHZ 102, 338/341 und st. Rechtspr.; OLG Brandenburg vom 27.5.2013 = BeckRS 2013, 09138; Keidel/Sternal § 3 Rn. 53; Bumiller/Harders/Schwamb FamFG 11. Aufl. § 3 Rn. 8; Hk-ZPO/Kempter 6. Aufl. § 3 FamFG Rn. 2; Zöller/Vollkommer a.a.O.; Zöller/Greger § 281 Rn. 17 und 17a; Zöller/Geimer § 3 FamFG Rn. 4). Willkür liegt vor, wenn dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt, wenn er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er sonst bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint (st. Rechtspr.; BGH NJW-RR 2013, 764; 2011, 1364; ferner OLG Brandenburg a.a.O.).

b) Davon kann hier nicht die Rede sein; der ergangene Verweisungsbeschluss ist bindend.

aa) Die örtliche Zuständigkeit für das ein Sparbuch eines privaten Bankhauses betreffende Aufgebotsverfahren richtet sich primär nach dem in der Urkunde bezeichneten Erfüllungsort (§ 466 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Insoweit ist jedoch allgemein anerkannt, dass eine ausdrückliche Bezeichnung selbst nicht erforderlich ist, sondern die Bestimmbarkeit des Erfüllungsorts gemäß § 269 BGB ausreichend ist (OLG Düsseldorf FGPrax 2013, 231; OLG Frankfurt vom 8....

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