Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung von Eintragungsbewilligungen und Grundbuchvollmachten
Leitsatz (amtlich)
1. Zwar ist eine Eintragungsbewilligung als verfahrensrechtliche Erklärung grundsätzlich auslegungsfähig. Bei der Auslegung ist allerdings - wie bei der von Grundbucheintragungen - auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt. Auf das subjektiv vom Bewilligenden Gewollte kommt es hingegen nicht an. Mit Blick auf den verfahrensbeherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz und das grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen darf auf die Auslegung nur zurückgegriffen werden, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Ist der Inhalt der Bewilligung allerdings eindeutig, so bedarf es keiner Sinnermittlung; eine Auslegung kommt dann von vorneherein nicht in Betracht.
2. Auch Grundbuchvollmachten sind nach den für Grundbucherklärungen maßgeblichen Grundsätzen auszulegen. Zwar muss bei der Auslegung berücksichtigt werden, dass eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung des Urkundsnotars nur dann einen Sinn hat, wenn sie über die Regelung des § 15 GBO hinausgeht, denn sonst bedürfte es einer besonderen Vollmacht nicht. Die Vollmacht, im Namen der Vertragsparteien "alle zum Grundbuchvollzug" bzw. "zum Vollzug dieser Urkunde erforderlichen" Erklärungen und Bewilligungen abzugeben sowie Anträge zu stellen, deckt ihrem Wortlaut und Sinn nach allerdings nur diejenigen Erklärungen ab, die zur Abwicklung und grundbuchmäßigen Umsetzung des beurkundeten Rechtsgeschäfts (typischerweise) notwendig oder förderlich sind.
Normenkette
GBO §§ 15, 18 Abs. 1, §§ 19, 28; BeurkG § 44a; BGB §§ 164, 873 Abs. 1
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 9. Januar 2017 wird zurückgewiesen.
II. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Zu notarieller Urkunde vom 10.12.2004 bewilligten die damaligen Eigentümer die Eintragung von Grunddienstbarkeiten (Geh- und Fahrtrechte) zu Lasten ihrer Grundstücke, FlSt ... und ..., zugunsten des jeweiligen Eigentümers mehrerer - in der damaligen Form aufgrund Zerlegungen und Zusammenlegungen nicht mehr bestehender - Grundstücke, als deren Eigentümerin am 13.8.2004 die Beteiligte zu 2 eingetragen worden war. Unter Ziffer II (Dienstbarkeitsbestellung) ist hierzu beurkundet:
In Erfüllung der Verpflichtung in § 13 Abs. 1 der Vorurkunde bewilligen und beantragen der Verkäufer und die ... (= Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 1) die Eintragung folgender
Grunddienstbarkeit
1) an dem vereinigten Grundstück in Blatt ... lfd. Nr. 17 (= dienendes Grundstück) und zwar in der Ausübung beschränkt auf Teilflächen des Flst.Nr. ...
2) an dem Grundstück Flst.Nr. ... in Blatt ... lfd. Nr. 3
... folgenden Inhalts:
1. Ort und Umfang der Benutzung
Der Eigentümer des dienenden Grundstücks räumt dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks und den von diesem ermächtigten Personen das Recht ein, das dienende Grundstück auf den rot schraffiert markierten Flächen in den dieser Urkunde als Anlage beigefügten beiden Lageplänen zu begehen und mit Fahrzeugen aller Art zu befahren und zu diesem Zweck mit für Geh- und auch für Lastverkehr geeigneten Fahrbahnen zu versehen und diese Fahrbahn zu haben, zu halten und zu belassen.
Im Bereich der Ausübungsfläche des Geh- und Fahrrechts ist das Abstellen von Fahrzeugen aller Art nicht gestattet. ...
...
5. Ausübungsbereich
Der Ausübungsbereich der vorbezeichneten Dienstbarkeiten ist aus den dieser Urkunde als Anlage beigefügten Lageplänen ersichtlich; auf die Pläne wird verwiesen.
6. Vermessung des Ausübungsbereichs
Die ... (Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 1) beabsichtigt, die von den Dienstbarkeiten betroffenen Ausübungsbereiche als eigene Grundstücke herausmessen zu lassen. Die ... (Beteiligte zu 2) gibt heute schon die nicht vom Ausübungsbereich betroffenen Flächen von den Dienstbarkeiten frei und beauftragt und bevollmächtigt den amtierenden Notar, nach Vorliegen des Vermessungsergebnisses die betroffenen Grund- und Flurstücke genau zu bezeichnen.
Mit der Urkunde sind die bezeichneten Lagepläne verbunden. Darin ist ein großflächiges Areal rot schraffiert gekennzeichnet, allerdings ohne Einzeichnung von Flurgrenzen und ohne Angabe von Flurnummern. Lediglich zwei - hier nicht betroffene - Flurstücksbezeichnungen sind handschriftlich eingetragen. Zur Orientierung dienen erläuternde Bezeichnungen wie "Bahnlinie", "Gleisanlagen", "Tennisanlage" und einzelne Straßennamen.
Die Urkundsbeteiligten beauftragten den amtierenden Notar mit dem Vollzug der Urkunde und ermächtigten ihn außerdem (Ziffer III der Urkunde), alle zum Grundbuchvollzug erforderlichen Erklärungen, Bewilligungen und Anträge abzugeben.
Teilvollzug sollte zulässig sein. Die Dienstbarkeiten sollte der Notar allerdings sofort zum Grundbuchvollzug vorlegen. Abschließend wurde der Notar ...