Entscheidungsstichwort (Thema)

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Begründung der Rechtsbeschwerde, Rechtsbeschwerdegrund, Verfahrenskostenhilfeverfahren, Sofortige Beschwerde, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Rechtsmittel, Antragsgegner, Gewährung von Akteneinsicht, Elektronisches Dokument, Elektronischer Rechtsverkehr, Rechtsbehelfsbelehrung, Anfechtung von Beschlüssen, Anhörung der Beteiligten, Aufgabe zur Post, Justizverwaltungsakt, Akteneinsichtsgesuch, Entscheidung des Amtsgerichts

 

Verfahrensgang

AG Dachau (Aktenzeichen 5 F 808/21)

 

Tenor

1. Das Oberlandesgericht München ist für die als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG auszulegende "sofortige Beschwerde" des Antragsgegners vom 28.03.2022 nicht zuständig.

2. Das Verfahren wird entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 GVG an das Bayerische Oberste Landesgericht verwiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Im Ausgangsverfahren beantragt die Antragstellerin mit Antrag vom 09.12.2021, die am ...2017 geschlossene Ehe der Beteiligten zu scheiden, und ihr für dieses Verfahren Verfahrenskostenhilfe zu gewähren.

Mit Schreiben vom 19.12.2021 beantragte der Antragsgegner unter Beigabe einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe, die mit Beschluss vom 22.02.2022 unter Ratenzahlung und mit Beiordnung der Rechtsanwältin V.-K. gewährt wurde.

Mit Schriftsatz vom 22.02.2022 beantragte die Antragstellerin, ihr gemäß § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Erklärung und die Belege betreffend die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners im Verfahrenskostenhilfeverfahren zu übersenden, wogegen sich der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 07.03.2022 wehrt.

Mit Beschluss vom 11.03.2022 bewilligte das Amtsgericht D. der Antragstellerin Einsicht in die Erklärung und Belege betreffend die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners. Dem Beschluss ist eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, nach der gegen den Beschluss das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde stattfindet.

Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 28.03.2022, eingegangen bei dem Amtsgericht D. am selben Tag, wendet sich der Antragsgegner gegen den ihm am 14.03.2022 zugestellten Beschluss vom 11.03.2022.

Mit Beschluss vom 29.03.2022 half das Amtsgericht D. der Beschwerde vom 28.03.2022 nicht ab, und legte sie dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vor.

Mit Verfügung vom 04.05.2022 wies das Oberlandesgericht München darauf hin, dass beabsichtigt sei, das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 17a Abs. 2 und Abs. 6 GVG an das zuständige Bayerische Oberste Landesgericht zu verweisen, und gab Frist zur Stellungnahme.

Mit Schriftsatz vom 10.05.2022 wendet sich die Antragstellerin gegen eine Verweisung an das Bayerische Oberste Landesgericht und vertritt die Ansicht, dass vorliegend das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft sei, nicht zuletzt wegen § 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO, nach dem die Entscheidung über das Zugängigmachen der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der mit der Sache befasste Richter zu treffen habe. Hierbei handele es sich nicht um eine Form der Akteneinsicht.

II. Die Sache ist entsprechend § 17 Abs. 2 und Abs. 6 GVG an das für die Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 Abs. 1; 25 Abs. 2 EGGVG i.V.m. Art. 12 Nr. 3 bay. AGGVG zuständige Bayerische Oberste Landesgericht zu verweisen (vgl. BayObLG vom 12.02.2020, 1 VA 133/19).

Gegen die als Beschluss ergangene Entscheidung des Amtsgerichts D., mit der Einsicht in die Erklärung und Belege betreffend die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsgegners zugunsten der weiteren Beteiligten bewilligt worden ist, ist die in Übereinstimmung mit der Rechtsbehelfsbelehrung erhobene sofortige Beschwerde und nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung auch ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG statthaft.

Zwar hat im vorliegenden Fall tatsächlich nicht die Gerichtsverwaltung, sondern das Familiengericht und damit eine funktional unzuständige Stelle über das Akteneinsichtsgesuch entschieden. Diesbezüglich gilt jedoch der Meistbegünstigungsgrundsatz, wonach die auf Akteneinsicht antragende Ehefrau dadurch keinen Rechtsnachteil erleiden darf. Ihr stand deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft war, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form und in funktionaler Zuständigkeit erlassenen Entscheidung zulässig gewesen wäre. Nach zulässiger, insbesondere fristgemäßer, Einlegung eines danach statthaften Rechtsmittels - hier Einlegung der sofortigen Beschwerde - hat das angerufene Oberlandesgericht das Verfahren weiter so zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre, nämlich als ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?