Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung eines Anspruchs auf Schadenersatz wegen Erwerbs eines vom Abgasskandal betroffenen Dieselfahrzeugs bei gerichtlicher Geltendmachung im Jahr 2019 und rechtsmissbräuchlicher Anmeldung zur Musterfeststellungsklage
Leitsatz (amtlich)
1. Schadensersatzansprüche, die dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs gegenüber der (Motor-)Herstellerin zustehen könnten, sind jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt (vgl. wie hier: OLG Stuttgart BeckRS 2020, 5743; OLG München BeckRS 2020, 11023; BeckRS 2020, 28789; OLG Koblenz BeckRS 2020, 20955; aA OLG Stuttgart BeckRS 2020, 7263; OLG Oldenburg BeckRS 2020, 6999; BeckRS 2020, 7000; BeckRS 2020, 6830).
2. Der Käufer/Eigentümer eines betroffenen Fahrzeugs muss sich so behandeln lassen, als hätte er bis zum 31.12.2015 Kenntnis vom Diesel-Abgasskandal gehabt, so dass seine etwaige Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht, weil ihm sowohl die Umstände, die einen Ersatzanspruch begründen könnten, als auch die Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Herstellerin als mögliche Haftungsschuldnerin in Betracht kommt, jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sind. (Rn. 14)
3. Nimmt sich der Kläger der Diesel-Thematik in rechtlicher Hinsicht erst an, nachdem er ein Anschreiben über die Notwendigkeit eines Software-Updates erhalten und das Update hat aufspielen lassen, steht dies einem Verjährungsbeginn im Jahre 2015 nicht entgegen. (Rn. 18)
4. Wirbt der Klägervertreter mit einer Prozessstrategie zur Überwindung einer bereits eingetretenen Verjährung durch vorübergehenden Beitritt zur Musterfeststellungsklage mit Äußerungen wie "Das können Sie sich aufs Klo nageln", kann eine Anmeldung des Klägers zur Musterfeststellungsklage als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden, sodass sie keine die Verjährung hemmende Wirkung entfaltet. (Rn. 25 - 26)
Normenkette
BGB §§ 31, 199 Abs. 1, § 204 Abs. 1 Nr. 1a, § 214 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; StGB § 263; UWG § 16
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Deggendorf vom 26.03.2020, Az.: 33 O 559/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1.) genannte Urteil des Landgerichts Deggendorf ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrags abwenden, es sei denn, dass die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 34.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 26.03.2020 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
jeweils unter Abänderung des am 26.03.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Deggendorf, Az.: 33 O 559/19,
1. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Tiguan mit der Fahrgestellnummer ...22 an den Kläger 34.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2011 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwaltes M. H. in Höhe von 2.033,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen,
3. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 13.04.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1.) bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Hinsichtlich des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 26.05.2020 (Bl. 139/146 d. A.) sowie ihre Gegenerklärung zum Hinweis des Senats mit Schriftsatz vom 20.07.2020 (Bl. 158/176 d. A.) Bezug genommen.
II. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Deggendorf vom 26.03.2020, Az.: 33 O 559/19, ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Soweit der Senat im konkreten Fall rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers in Bezug auf das Musterfeststellungsverfahren annimmt, handelt es sich naturgemäß um eine Einzelfallentscheidung, die auch nicht von den Grundsätzen abweicht, die die höchstrichterliche Rechtsprechung zu Fragen des Rechtsmissbrauchs angenommen hat. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Auch "die Erteilung weiterführender Hinweise (§§ 522 Abs. 2 Satz 2, 139 ZPO)", worum...