Leitsatz (amtlich)

1. Der Verfahrensgegenstand der weiteren Beschwerde wird begrenzt durch den Gegenstand, über den das Beschwerdegericht eine Entscheidung getroffen hat.

2. Hat das LG den Antrag des Betroffenen auf Entlassung aus der Unterbringung abgelehnt und erledigt sich danach die Hauptsache (hier: durch Entlassung des Betroffenen), kann das Gericht der weiteren Beschwerde grundsätzlich nur über die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung befinden. Es kann nur dann auch die Rechtmäßigkeit der Unterbringungsmaßnahme des VormG und/oder die Durchführung der Unterbringung bis zur landgerichtlichen Entscheidung überprüfen, wenn dies auch Gegenstand der Beschwerdeentscheidung war (BayObLG, Beschl. v. 14.10.2002 - 3Z BR 149/02).

 

Normenkette

GG Art. 19 Abs. 4; BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2; FGG § 27 Abs. 1, § 70m

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Beschluss vom 04.02.2005; Aktenzeichen 1 T 107/05)

AG Ingolstadt (Aktenzeichen XVII 848/01)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Ingolstadt vom 4.2.2005 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Für den Betroffenen wurde mit Beschluss des AG vom 20.7.2004 ein Betreuer bestellt mit den Aufgabenkreisen "Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, sowie Entgegennahme und Öffnen der Post". Der Betreuer beantragte die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Heilbehandlung. Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. G. und Anhörung des Betroffenen genehmigte das AG mit Beschl. v. 5.1.2005 die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis zum 19.4.2005. Der Betroffene leide an einer schizotypen Störung und einer paranoiden Persönlichkeitsstörung.

Hiergegen erhob der Betroffene sofortige Beschwerde und trug vor, er sei vollständig gesund und somit voll geschäftsfähig. Seine privaten Angelegenheiten könne er selbst besorgen, er schädige weder sich noch dritte Personen. Nach Anhörung des Sachverständigen Dr. K. und des Betroffenen hat das LG mit Beschl. v. 4.2.2005 die sofortige Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung des LG wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde.

Am 17.3.2005 wurde der Betroffene aus der Unterbringung entlassen. Er beantragt nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlüsse des AG Ingolstadt vom 5.1.2005 und des LG Ingolstadt vom 4.2.2005.

II.1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.

a) Die Schreiben vom 20.2.2005 an das LG Ingolstadt und das OLG München wahrten zwar nicht die Form gem. § 29 Abs. 1 S. 2 FGG, weil die Beschwerdeschreiben nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet waren. Die formgerechte Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde wurde jedoch zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG Ingolstadt am 10.3.2005 nachgeholt.

b) Zu diesem Zeitpunkt war die zweiwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gem. § 29 Abs. 2, § 70m Abs. 1, § 70g Abs. 3, § 22 Abs. 1 FGG bereits abgelaufen, da die Zustellung des landgerichtlichen Beschlusses ausweislich der Akten bereits am 10.2.2005 erfolgt war. Dem Betroffenen konnte jedoch gem. § 29 Abs. 4, § 22 Abs. 2 S. 1 FGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden. Die Wiedereinsetzung konnte auch ohne ausdrücklichen Antrag gewährt werden, weil die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wurde und die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung offenkundig sind (BayObLG NJW-RR 2003, 211 [212]). Der Betroffene hat glaubhaft dargetan, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die Frist für die Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde einzuhalten. Wie auch vom Betreuer bestätigt wurde, konnte der Betroffene mangels Ausgang aus der Unterbringung und wegen Krankheit die sofortige weitere Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle des AG nicht rechtzeitig einlegen. Es war dem Betroffenen im vorliegenden Fall auch ausnahmsweise nicht zumutbar, zur Einlegung eines Rechtsmittels die für ihn bestellte Verfahrenspflegerin einzuschalten, nachdem diese im Erstbeschwerdeverfahren eine die Unterbringung befürwortende Stellungnahme abgegeben hatte.

c) Die sofortige weitere Beschwerde mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der Genehmigung der Unterbringung festzustellen, ist zulässig. Zwar hat sich nach Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde die Hauptsache dadurch erledigt, dass der Betroffene aus der Unterbringung entlassen worden ist. Dennoch fehlt der sofortigen Beschwerde nicht das Rechtsschutzbedürfnis (BayObLGZ 2002, 304 [306]). Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es, in den Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tief greifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs zu bej...

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