Leitsatz (amtlich)

Wird der Kläger nach unvorhersehbarem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid von dem bisherigen Mahnanwalt als Prozessbevollmächtigten vertreten und ein Unterbevollmächtigter eingeschaltet, so sind die durch den Unterbevollmächtigten verursachten Mehrkosten zu erstatten, wenn die Teilnahme des Prozessbevollmächtigten am Gerichtstermin zwar die billigste Variante gewesen wäre, die Mehrkosten des Unterbevollmächtigten aber nur geringfügig höher sind. Erst recht gilt dies, wenn bei Abwägung der möglichen Kostenersparnis und des Zeitaufwands dem Prozessbevollmächtigten eine Reise zum Prozessgericht nicht zumutbar war.

 

Normenkette

ZPO § 91; BRAGO § 53

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 12 O 3061/01)

 

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München II v. 9.10.2001 wird dahingehend abgeändert, dass die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 1.229,40 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit 26.9.2001 festgesetzt werden.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert beträgt 572 DM.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die durch die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten entstandenen Mehrkosten nicht anerkannt wurden. Nach einem Widerspruch gegen den von Frankfurter Rechtsanwälten beantragten Mahnbescheid des AG Hünfeld beauftragte die Klägerin ihre Frankfurter Anwälte als Prozessbevollmächtigte. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG München II, in der ein Versäumnisurteil erging, trat für die Klägerin ein Unterbevollmächtigter auf.

II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Vor der Änderung des § 78 ZPO war es h.M., dass die Kosten sowohl eines Mahnanwalts als auch eines neuen Prozessbevollmächtigten zu erstatten waren, wenn zur Zeit der Antragstellung nicht mit einem Widerspruch gegen den Mahnbescheid zu rechnen und ein Anwaltswechsel nötig war, weil der Mahnanwalt beim Streitgericht nicht postulationsfähig war (OLG München JurBüro 1988, 350; Gerold/von Eicken, 14. Aufl., § 43 BRAGO Rz. 41). Durch die Neufassung des § 78 ZPO hat sich insofern etwas geändert, als ein Anwaltswechsel nunmehr nicht mehr zwingend erforderlich ist, da der bisherige Mahnanwalt zum Streitgericht reisen und dort Anträge stellen könnte. Unverändert bleibt jedoch, dass der Gläubiger erstattungsrechtlich weiterhin nicht verpflichtet ist, einen beim etwaigen Streitgericht ansässigen Anwalt mit der Beantragung des Mahnbescheids zu beauftragen, wenn mit einem Widerspruch nicht zu rechnen ist (OLG Stuttgart, RPfleger 2001, 516; OLG Nürnberg v. 25.6.2001 – 12 W 1435/01, MDR 2001, 1134 = OLGReport Nürnberg 2001, 367; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 91 ZPO Rz. 13 – Mahnverfahren; a.A. OLG Brandenburg v. 19.4.2001 – 8 W 92/01, MDR 2001, 1135). Eine andere Handhabung würde auch dem Sinn der Neufassung des § 78 ZPO widersprechen, der es dem Rechtsuchenden gerade erleichtern soll, sich von jedem beliebigen Rechtsanwalt vor Gericht vertreten zu lassen (BT-Drucks. 12/4993, 53).

2. Im vorliegenden Fall besteht ein Erstattungsanspruch für die durch die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten angefallenen Mehrkosten. Allerdings wären geringere Kosten angefallen, wenn der Frankfurter Prozessbevollmächtigte mit dem Pkw oder dem ICE 1. Klasse zur mündlichen Verhandlung nach München gereist wäre.

Es wären dann folgende Kosten entstanden:

10/10-Prozessgebühr 665,00 DM

5/10-Verhandlungsgebühr 332,50 DM

Pauschale 40,00 DM

Fahrtkosten ca. 400,00 DM

Tages- und Abwesenheitsgeld   110,00 DM

ca. 1.547,50 DM

Die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten wären der Mindestbetrag, der zu erstatten ist. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt im Falle einer Verweisung des Rechtsstreits anstelle der Kosten des tatsächlich vorgenommenen Anwaltswechsels ein Erstattungsanspruch u.a. in Höhe der ersparten anwaltlichen Reisekosten des ursprünglichen Prozessbevollmächtigten in Betracht (JurBüro 2001, 31). Dasselbe hat für den Fall eines Anwaltswechsels bzw. der Einschaltung eines Unterbevollmächtigten nach einem unvorhersehbaren Widerspruch gegen einen Mahnbescheid zu gelten.

Durch die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten sind folgende Kosten entstanden:

Prozessbevollmächtigter: 10/10 Prozessgebühr 665,00 DM

3/10 Verhandlungsgebühr 199,50 DM

Auslagenpauschale 40,00 DM

Unterbevollmächtigter: 5/10 Prozessgebühr 332,50 DM

5/10 Verhandlungsgebühr 332,50 DM

Pauschale 40,00 DM

Summe 1.609,50 DM.

Ein Anwaltswechsel, also die Beauftragung eines Münchner Hauptbevollmächtigten, wäre noch teuerer gewesen. Es wären dann folgende Kosten entstanden.

Mahnanwalt 10/10 Gebühr 665,00 DM

+ Pauschale 40,00 DM

Prozessbevollmächtigter 10/10 Prozessgebühr 665,00 DM

5/10 Verhandlungsgebühr 332,50 DM

Pauschale 40,00 DM

Summe 1.742,50 DM.

Nachdem die Kosten einer Teilnahme des Frankfurter Prozessbevollmächtigten am Gerichtstermin nur geringfügig niedriger sind als die Kosten bei Beauftragung eines Unterbevollmächtigten, bestehen keine Bedenken, einen Erstattungsanspruch für die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten z...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge