Leitsatz (amtlich)
1. Das Amt eines gerichtlich bestellten Mitglieds des Aufsichtsrats endet automatisch, wenn die Hauptversammlung ein neues Mitglied wählt und dieses die Wahl angenommen hat. Damit endet die Verfahrenshoheit der Gerichte. Eine Entscheidung, ob die gerichtliche Bestellung zu Recht erfolgt war, kann nicht mehr ergehen.
2. Die Frist für die sofortige Beschwerde von nicht antragstellenden Aktionären im gerichtlichen Verfahren auf Bestellung von Mitgliedern des Aufsichtsrats beginnt spätestens mit der Veröffentlichung der Änderung nach § 106 AktG im elektronischen Bundesanzeiger zu laufen.
Normenkette
AktG § 104 Abs. 2, 5, § 106
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 20.12.2005; Aktenzeichen 17 HKT 2752/06) |
AG München (Beschluss vom 29.11.2005; Aktenzeichen HRB 42148) |
Tenor
I. Die Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz trägt die beteiligte Gesellschaft.
II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die weitere Beteiligte.
III. Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Auf Antrag des Vorstands der beteiligten Gesellschaft vom 22.11.2005 hat das Registergericht mit Beschluss vom 29.11.2005 die in dem Antrag bezeichneten acht Personen als Aufsichtsratsmitglieder bestellt. Mit Schreiben vom 23.9.2005 hatte die weitere Beteiligte eine "Schutzschrift" beim Registergericht eingereicht, in der sie in einem Verfahren auf Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern einen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs geltend macht, und eine andere Person als Aufsichtsratsmitglied vorschlägt. Die beteiligte Gesellschaft veröffentlichte die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder am 13.12.2005 im elektronischen Bundesanzeiger. Mit Beschluss vom 20.12.2005 hat das LG die in dem Schreiben vom 23.9.2005 ebenfalls enthaltene sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen.
Am 9.2.2006 legte die weitere Beteiligte gegen den Beschluss des Registergerichts vom 29.11.2005 sofortige Beschwerde ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Mit Beschluss vom 6.4.2006 hat das LG die sofortige Beschwerde vom 9.2.2006 als unzulässig verworfen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde vom 18.4.2006.
Am 23.5.2006 wählte die Hauptversammlung der beteiligten Gesellschaft die acht Personen, die im Weg der gerichtlichen Bestellung vom 29.11.2005 zu Mitgliedern des Aufsichtsrats bestellt worden waren, zu Aufsichtsratsmitgliedern.
II. Das Verfahren zur Ergänzung des Aufsichtsrats durch gerichtliche Bestellung (§ 104 AktG) hat sich am 23.5.2006 mit der Wahl der acht Personen zu Mitgliedern des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung der beteiligten Gesellschaft erledigt. Der Senat hat daher entsprechend dem Hilfsantrag vom 30.6.2006 nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
1. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Hauptsache erledigt, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (vgl. BGH v. 25.11.1981 - IVb ZB 756/81, MDR 1982, 473 = NJW 1982, 2505 [2506]; BayObLG v. 17.5.1990 - BReg.3 Z 22/90, BayObLGZ 1990, 130 [131]; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 10. Aufl., Einl. FGG Rz. 120; Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 85). Das ist insb. der Fall, wenn die gerichtliche Entscheidung auf Grund veränderter Umstände keine Wirkung mehr entfalten könnte. Ein bereits eingelegtes Rechtsmittel wird dann im Grundsatz unzulässig, eine Sachentscheidung darf nicht ergehen. Denn mit der Erledigung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittel (BayObLGZ 1971, 182 [184]). Beschränkt ein Rechtsmittelführer sein vor Erledigung der Hauptsache wirksam eingelegtes Rechtsmittel jedoch auf die Kosten, so bleibt es insoweit zulässig. In diesem Fall hat das Gericht über die in allen Rechtszügen angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu entscheiden (BayObLG v. 17.3.1992 - BReg.1a Z 53/89, MDR 1992, 587 = BayObLGZ 1992, 54 [57]).
So liegt der Fall hier. Die Wahl der acht Personen in der Hauptversammlung vom 23.5.2006 zu Mitgliedern des Aufsichtsrats hat die Hauptsache des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 104 AktG materiellrechtlich erledigt, da die Aufsichtsratsmitglieder nunmehr aus einem anderen Berufungsgrund Mitglieder des Aufsichtsgremiums der beteiligten Gesellschaft geworden sind. Mit dem Beschluss des AG München vom 29.11.2005 waren jedenfalls die darin bezeichneten Personen Mitglieder des Aufsichtsrats der beteiligten Gesellschaft kraft gerichtlicher Bestellung geworden. Die einzelnen Personen sind wirksam mit Zustellung des Beschlusses an sie Mitglieder des Aufsichtsrats geworden, weil sie zuvor ihre Zustimmung zur gerichtlichen Bestellung erteilt hatten (vgl. Semler in MünchKomm/AktG, 2. Aufl., § 104 AktG Rz. 106).
Das Amt der gerichtlich bestell...