Entscheidungsstichwort (Thema)
Frei- und Strengbeweis, Testierfähigkeit. Demenz
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Ermessen des Gerichts bei der Wahl zwischen Frei- und Strengbeweis zur Frage der Testierfähigkeit.
2. Zu den Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei Demenz.
3. Es gibt keine nach dem Schwierigkeitsgrad der letztwilligen Verfügung abgestufte Testierfähigkeit.
Normenkette
FGG §§ 12, 15; BGB § 2229; ZPO § 355 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 7 T 1528/06) |
AG Erlangen (Aktenzeichen VI 4201/03) |
Gründe
I. Der verwitwete, kinderlose Erblasser ist am 18.4.2003 im Alter von 88 Jahren verstorben. Seine Ehefrau ist am 4.3.2000 vorverstorben. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind Geschwister des Erblassers, die Beteiligten zu 4 und 5 Kinder eines weiteren vorverstorbenen Bruders. Der Beteiligte zu 1 ist ein Großneffe der Ehefrau.
Nach einem Schlaganfall im Oktober 1996 wurde der Erblasser in der Folge in einem Pflegeheim untergebracht, ab April 1997 bestand eine Betreuung. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Einfamilienhaus sowie Bankguthaben und Wertpapieren; der Reinnachlasswert beträgt rund 500.000 EUR.
Mit privatschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 31.5.1962 haben sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. In einem Schriftstück vom 10.6.1999 sind unter der Überschrift "Die Erben von G. und E. Sch." zehn Personen sowie deren Bankverbindungen aufgelistet. Der Name des Beteiligten zu 1 ist durchgestrichen mit dem Zusatz: "G. Sch. ist gestrichen, da er das Haus ... erbt." Mit "Testament Nr. 2" vom 15.7.1999 haben die Eheleute verfügt, dass der Beteiligte zu 1 "unser Einfamilienhaus erbt, nachdem wir beide gestorben sind." Beide Testamente sind von der Ehefrau geschrieben und von beiden Ehegatten unterschrieben.
Der Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein als Alleinerbe aufgrund des Testaments vom 15.7.1999 beantragt. Die Beteiligten zu 2 bis 5 sind dagegen der Auffassung, sie seien gesetzliche Erben, weil der Erblasser 1999 testierunfähig gewesen sei.
Das Nachlassgericht hat die Betreuungsakten beigezogen, die Hausärztin Dr. St., die Pflegerin W. und die Eheleute T. als Zeugen vernommen sowie ein nervenärztliches Fachgutachten eingeholt. Der Sachverständige Dr. H., Arzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie kam unter Berücksichtigung der im Betreuungsverfahren erhobenen Befunde und der Angaben der Zeugen und Beteiligten im Nachlassverfahren zu dem Ergebnis, dass der Erblasser an einem demenziellen Syndrom, wahrscheinlich vom Typ Alzheimer, gelitten habe. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Testamente vom 10.6.1999 und 15.7.1999 sei er krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage gewesen, seinen Willen frei zu bestimmen, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
Das AG hat mit Beschluss vom 13.12.2005 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und angekündigt, den Beteiligten zu 2 bis 5 einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das LG eine schriftliche Stellungnahme des im Betreuungsverfahren tätigen Richters zu seinen Beobachtungen bei den Anhörungsterminen am 11.5.1999 und 9.4.2000 eingeholt und mit Beschluss vom 21.12.2006 die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des LG richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Kammer sei aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen H. von der Testierunfähigkeit des Erblassers bei Errichtung der Testamente vom 10.6.1999 und 15.7.1999 überzeugt. Der Sachverständige habe nicht nur die Diagnose einer mittelschwer ausgeprägten Demenz der Alzheimerkrankheit gestellt, sondern auch zum Ausmaß der geistigen Beeinträchtigungen Stellung genommen. Auch die Hausärztin St. habe 1999 eine senile Demenz festgestellt. Dagegen seien die Beobachtungen des Ehepaares T. von geringerer Bedeutung. Die Angaben der Zeugin W. zum Verhalten des Erblassers stützten teilweise die Einschätzung des Sachverständigen. So habe sie berichtet, der Erblasser sei öfter "ausgebüchst", "um in seiner alten Wohnung nachzuschauen was los ist", und von seiner Ehefrau in ein Taxi gesetzt und zurückgeschickt worden. Demgegenüber sage es nur beschränkt etwas über die Testierfähigkeit aus, dass er sich nach Angaben der Zeugin W. bei Brettspielen die Farbe der Steine habe merken können und dass er Zeitung gelesen habe; die Zeugin habe nicht berichten können, dass er das Gelesene verstanden und behalten habe. Aus dem Protokoll der richterlichen Anhörung im Betreuungsverfahren vom 19.4.2000 ergebe sich, dass der Erblasser nicht in der Lage gewesen sei, relevante Zusammenhänge zu verstehen. Bei der Anhörung vom 11.5.1999 sei zwar ausweislich des Protokolls eine normale Unterhaltung mit ihm möglich gewesen. Dabei handle es sich aber um einen oberflächlichen Eindruck, da nach Angaben des Richters eine eingehende Befragung des...