Leitsatz (amtlich)
1. Ein Grundstück kann nicht mit mehreren Vorkaufsrechten belastet werden, die alle den gleichen Rang haben und jeweils einen auf die Verschaffung des Eigentums am gesamten Grundstück gerichteten Anspruch sichern, wenn Vereinbarungen zur Vermeidung von Kollisionen fehlen. Dies gilt ebenso, wenn bei Rechtsbestellung die subjektiv-dingliche Berechtigung jeweils derselben Person zustand.
2. Die Eintragung derartiger Rechte im Grundbuch ohne Kollisionsvereinbarung ist unzulässig und führt zur Amtslöschung.
Normenkette
BGB § 1094 Abs. 2, § 1098 Abs. 1 S. 1; GBO § 53 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Deggendorf (Beschluss vom 10.12.2015) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des AG Deggendorf - Grundbuchamt - vom 10.12.2015 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 35.000 EUR festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens bildet die Löschung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung eines dinglichen Vorkaufsrechts.
Der Beteiligte zu 2 ist seit 2.2.2015 im Grundbuch als Eigentümer von Grundbesitz (FlSt 236) eingetragen. In Abt. II des Grundbuchs war am 26.1.1972 unter lfd. Nr. 1 folgende Belastung eingetragen worden:
Je Vorkaufsrecht für die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Flste. 141/3, 238 und 236/1 (Blatt ...); gemäß Bewilligung vom 02.06.1971; Gleichrang unter sich und Gleichrang mit Lasten Abt. II/2 (Geh- und Fahrtrecht für die herrschenden Grundstücke).
Die Eintragung beruht auf der zu Notarsurkunde vom 2.6.1971 erklärten Bewilligung des damaligen Eigentümers. Dieser hatte im Zuge einer Veräußerung von drei Grundstücken (FlSt 141/3, FlSt 238 sowie zwei Teilflächen aus FlSt 236 (alt) und FlSt 235) an eine Kommanditgesellschaft zu notarieller Urkunde vom 8.4.1970 - Abschnitt J - zu Lasten des im Eigentum behaltenen Restgrundstücks FlSt 236 (neu) folgendes subjektiv-dingliche Vorkaufsrecht bestellt:
Der Veräußerer, und zwar zugleich mit Wirkung für seine Rechtsnachfolger im Eigentum des Restgrundstücks Fl. St. Nr. 236 ... räumt hiermit dem jeweiligen Eigentümer des Kaufgrundbesitzes ... für den nächsten Verkaufsfall das dingliche Vorkaufsrecht ein.
Die Bewilligungsurkunde vom 2.6.1971 nimmt auf diese Rechtsbestellung Bezug. Bewilligt wurde die Eintragung des lt. Buchstabe J der Vorurkunde eingeräumten Vorkaufsrechtes an Flst. Nr. 236 ... je zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des neugebildeten Grundstücks Flst. Nr. 236/1 sowie der Grundstücke Flst. Nr. 141/3 und 238 ... an nächstoffener Rangstelle in das Grundbuch.
Das Restgrundstück (FlSt 236) übertrug der kinderlose Eigentümer mit notariellem Überlassungsvertrag vom 22.12.2006 unter Vorbehalt des lebenslangen Nießbrauchs unentgeltlich auf seine Schwester Elisabeth R.. Die in Abteilung II des Grundbuchs eingetragenen Rechte übernahm die Erwerberin "in Kenntnis ihres Inhalts zur weiteren dinglichen Duldung und Erfüllung" (Ziff. VI der Urkunde). Am 11.1.2007 wurde die Eigentumsumschreibung im Grundbuch vollzogen.
Am 25.7.2014 beantragte Elisabeth R., notariell vertreten, die Löschung des Vorkaufsrechts. Das vom früheren Eigentümer für den nächsten Verkaufsfall eingeräumte Recht sei infolge der Eigentumsübertragung auf sie löschungsreif. Das Grundbuchamt vollzog die Löschung antragsgemäß am 11.8.2014 ohne Anhörung der Berechtigten.
Zu Urkunde vom 8.12.2014 verkaufte Elisabeth R. den Grundbesitz bei gleichzeitiger Auflassung an den Beteiligten zu 2. Die Eigentumsumschreibung erfolgte am 2.2.2015.
Eigentümerin der Flurstücke 236/1 und 141/4 (letzteres hervorgegangen durch Teilung von FlSt 141/3) ist aufgrund Auflassung vom 15.4.2013 mittlerweile die am 30.1.2014 eingetragene Beteiligte zu 1. Das Eigentum an Flurstück 238 ist mittlerweile auf Dritte übergegangen; das Eigentum an Flurstück 141/3 (Restgrundstück) hält weiterhin die Personengesellschaft.
Die Beteiligte zu 1 regte mit Schreiben vom 27.5.2015 die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Löschung des Vorkaufsrechts an. Sie meint, das Recht bestehe trotz der einen Vorkaufsfall nicht auslösenden Überlassung vom 22.12.2006 fort, denn es sei nach dem Wortlaut der Bewilligung für den ersten Verkaufsfall, in dem es ausgeübt werden könne, und daher mit Bindung auch für den Sonderrechtsnachfolger im Eigentum des belasteten Grundbesitzes bestellt worden. Dieses Verständnis ergebe sich auch aus der ausdrücklichen Belastungserstreckung auf den Rechtsnachfolger laut Bestellungsurkunde vom 8.4.1970. Es habe der im Überlassungsvertrag vom 22.12.2006 erklärten Belastungsübernahme zugrunde gelegen.
Gegen den am 8.7.2015 in das Grundbuch (Abt. II lfd. Nr. 6) eingetragenen Widerspruch hat sich der anwaltlich vertretene Beteiligte zu 2 mit dem auf Löschung des Widerspruchs gerichteten Antrag vom 7.8.2015 gewandt, hilfsweise mit der Beschwerde. Er habe den Grundbesitz gutgläubig lastenfrei erworben. Die hierzu angehörte Beteiligte zu 1 hat die Gutgläubigkeit des Beteiligten zu 2 bestritten. Dieser habe in einem...