Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkretisierung von Verhaltensregeln eines Nutzeraccounts eines sozialen Netzwerks
Leitsatz (amtlich)
1. Der Betreiber eines sozialen Netzwerks kann grundsätzlich die von den Nutzern gemäß § 241 Abs. 2 BGB geschuldeten Pflichten durch das Aufstellen von Verhaltensregeln konkretisieren und deren Verletzung auch durch Sperrung des betreffenden Nutzeraccounts durchsetzen.
2. Eine Verletzung der vertraglichen Pflichten liegt jedenfalls dann vor, wenn der Nutzer rechtswidrige Inhalte im Sinne von § 1 Abs. 3 NetzDG in das soziale Netzwerk einstellt oder dort zugänglich macht.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 305 Abs. 1 S. 1, § 307 Abs. 3, § 823 Abs. 2, §§ 824, 826, 1004 Abs. 1 S. 2; EuGWO Art. 7 Nr. 2; GG Art. 5 Abs. 1 S. 1; NetzDG § 1 Abs. 3; StGB § 130; TMG § 3 Abs. 2 S. 1; ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 24.08.2018; Aktenzeichen 40 O 11923/18) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 24.08.2018, Az. 40 O 11923/18, wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert der Beschwerde beträgt 15.000 EUR.
Gründe
Gründe: i. Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch welche der Antragsgegnerin untersagt werden soll, ihn wegen der Verlinkung des auf den Seiten 2 bis 4 der Antragsschrift wiedergegebenen Internetartikels "Merkel-Regime will Grundstücke von Bürgern enteignen, um Häuser für Illegale zu bauen" auf www.facebook.com zu sperren (insbesondere ihm die Nutzung der Funktionen von www.facebook.com wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten) oder den Beitrag zu löschen.
Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 24.8.2018 den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung vom 21.8.2018 zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, dass der Antragsteller keinen Verfügungsanspruch habe, sondern die Antragsgegnerin nach ihren Nutzungsbedingungen berechtigt gewesen sei, die Verlinkung zu entfernen und den Antragsteller zu sperren. Wegen der näheren Begründung wird auf die Ausführungen in den Gründen des vorgenannten Beschlusses (Bl: 40/51 d.A.) Bezug genommen.
Gegen den ihm am 29.8.2018 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 31.8.2018, beim Landgericht München I eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Begründung des Rechtsmittels wird auf den vorgenannten Schriftsatz (Bl. 53/57 d.A.) verwiesen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 4.9.2018 (Bl. 58/60 d.A.), auf dessen Gründe Bezug genommen wird, der sofortigen.Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt.
Die zuständige Einzelrichterin hat mit Beschluss vom 10.9.2018 das Beschwerdeverfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen.
Ii. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 569 ZPO eingelegt worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
A. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung war zwar zulässig. Insbesondere wurde die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, NJW 2003, 426), vom Landgericht zu Recht bejaht.
1. Maßgeblich ist die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGWO), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Irland und damit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei dem geltend gemachten Verfügungsanspruch um einen vertraglichen Erfüllungsanspruch oder um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt; denn in beiden Fällen wäre das Landgericht München I örtlich und damit auch international zuständig.
2. Eine Vertragspflicht der Antragsgegnerin im Sinne von Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGWO auf Bereitstellung von "Facebook-Diensten" wäre mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien kraft Natur der Sache am Wohnsitz des Antragstellers zu erfüllen.
3. Falls die Sperrung des Antragstellers bzw. die Löschung eines von ihm geposteten Beitrages ein "schädigendes Ereignis" im Sinne von Art. 7 Nr. 2 EuGWO darstellen sollte, träte dieses primär am Wohnsitz des Antragstellers ein. Denn dort käme es zur Kollision der widerstreitenden Interessen der Parteien, des Antragstellers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) und der Antragsgegnerin auf Wahrung ihrer "Gemeinschaftsstandards". Mit dem streitgegenständlichen Beitrag will sich der Antragsteller nach eigenen Angaben an der in Deutschland derzeit geführten Debatte über die Ausländerpolitik beteiligen.
B. ...