Leitsatz (amtlich)

Ist es dem Kläger ausnahmsweise gestattet, an seinem Wohnsitz zu klagen, so können mehrere Kläger als aktive Streitgenossen unter den verschiedenen Wohnsitzgerichten der Kläger auch dann wählen, wenn der Klägergerichtsstand nicht ausschließlich ist (hier: Klägergerichtsstand für negative Feststellungsklage).

 

Normenkette

ZPO §§ 35, 36 Abs. 1 Nr. 3, § 256

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Aktenzeichen 5 O 574/09)

 

Tenor

Als gemeinsam zuständiges Gericht wird das LG Traunstein bestimmt.

 

Gründe

I. Die Kläger sind Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds "A. GbR", der seinen Sitz in Berlin hat. Die Beklagten zu 1 und 2 haben der Anlagegesellschaft und die Beklagte zu 3 den Anlagegesellschaftern jeweils Darlehen gewährt. Mit der zum LG Traunstein erhobenen Klage hat der im dortigen Gerichtsbezirk wohnhafte Kläger zu 1 gegen die Beklagten zu 1 und 3 jeweils Zwangsvollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus vollstreckbaren Urkunden sowie gegen alle drei Beklagten negative Feststellungsklagen erhoben, dass er aus den Darlehensverträgen persönlich nicht zur Zahlung verpflichtet ist. Im Wege der Klageerweiterung traten die Kläger zu 2, 3 und 4 dem Rechtsstreit auf Klägerseite bei. Die Kläger zu 2, 3 und 4 wohnen in den Bezirken der LG Freiburg, Berlin und Passau. Die Beklagten zu 1, 2 und 3 haben ihren Sitz in Berlin, Hannover und Berlin.

Das LG Traunstein bejaht seine Zuständigkeit für die Zwangsvollstreckungsgegenklagen aller Kläger gegen alle Beklagten und für die negativen Feststellungsklagen des Klägers zu 1 gegen die Beklagten, nicht aber für die negativen Feststellungsklagen der übrigen Kläger. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Kläger hinsichtlich der Zwangsvollstreckungsgegenklagen unter den mehreren jeweils ausschließlich zuständigen Klägerwohnsitzgerichten (§ 797 Abs. 5, § 802 ZPO) analog § 35 ZPO wählen könnten. Auch die negative Feststellungsklage könne am Wohnsitzgericht des Klägers erhoben werden, jedoch stünde den mehreren Klägern insoweit kein Wahlrecht unter den mehreren Klägerwohnsitzgerichten zu; es bedürfe deshalb einer Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.

Die Kläger sind der Auffassung, dass auch hinsichtlich der negativen Feststellungsklagen ein Wahlrecht der Kläger bestehe, weshalb es einer Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts eigentlich nicht bedürfe; im Hinblick auf die Rechtsmeinung des LG Traunstein werde aber die Bestimmung beantragt.

Die Beklagten halten die Voraussetzungen der Bestimmung nicht für gegeben. Zum einen bestehe für keine der negativen Feststellungsklagen, auch nicht für den Kläger zu 1, eine Zuständigkeit des LG Traunstein; denn für eine negative Feststellungsklage stünden zwar die für eine Klage umgekehrten Rubrums geltenden besonderen Gerichtsstände, nicht aber der allgemeine Gerichtsstand des Klägers zur Verfügung. Zum anderen gäbe es für die negativen Feststellungsklagen aller Kläger gegen alle Beklagten einen gemeinschaftlichen Gerichtsstand des Erfüllungsorts beim LG Berlin, was die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts ausschließe.

II. Der Senat kann die beantragte Bestimmung analog § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vornehmen und das seine Zuständigkeit leugnende LG Traunstein bestimmen, obgleich dieses Gericht ohnehin für alle negativen Feststellungsklagen zuständig ist.

1. Nach herrschender Meinung kann eine negative Feststellungsklage (§ 256 ZPO) im allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten und zusätzlich überall dort erhoben werden, wo die Leistungsklage umgekehrten Rubrums erhoben werden könnte, also auch im allgemeinen Gerichtsstand des Klägers (vgl. nur Roth in Stein/Jonas ZPO, 22. Aufl., § 256 Rz. 73; Zöller/Vollkommer ZPO, 27. Aufl., § 12 Rz. 3; Zöller/Greger § 256 Rz. 20; Thomas/Putzo/Reichold ZPO, 29. Aufl., § 256 Rz. 2; auch Musielak/Foerste ZPO, 6. Aufl., § 256 Rz. 36 bezeichnet diese Meinung als die herrschende). Nach anderer Auffassung soll auf den jeweiligen Zweck der Zuständigkeitsnorm abzustellen sein. Danach scheiden insbesondere diejenigen für eine Klage umgekehrten Rubrums geltenden Gerichtsstände aus, die auf die Parteirolle abstellen (§§ 12-21 ZPO), und - als Ausdruck des fundamentalen Gerechtigkeitsgedankens, dass der Angreifer den Angegriffenen an dessen Ort aufsuchen muss - den Beklagten gerade wegen seiner Parteirolle begünstigen (vgl. eingehend Foerste in FS Kollhosser Band II 2004 S. 141 ff. mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand; Wieczorek/Assmann ZPO, 3. Aufl., § 256 Rz. 266). Nach dieser Meinung ist der Klägerwohnsitz als solcher kein Gerichtsstand für die negative Feststellungsklage. Dagegen knüpfen die besonderen Gerichtsstände in der Regel an sachliche Gesichtspunkte unabhängig von der Parteirolle an und können deshalb in gleicher Weise für die positive Feststellungs- oder Leistungsklage wie für die negative Feststellungsklage gelten (vgl. Wieczorek/-Assmann, a.a.O.; Stein/Jonas/Schumann ZPO, 21. Aufl., § 256 Rz. 101; unklar Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO, 67. Aufl. 2009 Rz...

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