Leitsatz (amtlich)
1. Sind mehrere einzelne Verfahren betreffend die Person eines Erblassers jeweils durch Endentscheidung abzuschließen, ist in jedem Verfahren eine gesonderte Kostenentscheidung zu treffen.
2. Die Fiktion der Bekanntgabe eines Beschlusses durch Aufgabe zur Post setzt die Feststellung des Datums der Aufgabe der an die Beteiligten gerichteten Schriftstücke zur Post voraus.
3. Der Bekanntgabeempfänger muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass das Schriftstück durch Aufgabe zur Post bekannt gemacht wird.
4. Das Fehlen eines - erkennbaren - Bekanntgabewillens kann nicht durch die Feststellung des tatsächlichen Zugangs des Schriftstücks beim Empfänger geheilt werden.
5. Eine ergänzende Kostenentscheidung ist nur möglich, wenn die Möglichkeit einer - stillschweigenden - Kostenentscheidung im Ausgangsbeschluss ausgeschlossen werden kann.
Normenkette
FGG-RG Art. 111 Abs. 2; FamFG §§ 43, 41 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Traunstein (Beschluss vom 17.08.2011; Aktenzeichen 7 VI 0657/08) |
Tenor
I. Der Beschluss des AG Traunstein vom 17.8.2011 wird aufgehoben, soweit das AG Traunstein dem Beschwerdeführer im Verfahren wegen seiner Entlassung als Testamentsvollstrecker die Kosten auferlegt hat.
II. Der Beschluss des AG Traunstein vom 29.11.2011 wird aufgehoben, soweit es wegen der Kostenentscheidung im Verfahren auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses die Vorlage an das OLG München verfügt hat.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 6.200,- festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Kostenentscheidung des AG vom 17.8.2011 "in der Nachlasssache ... wegen Entlassung des Testamentsvollstreckers und Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses".
1. Der Beschwerdeführer beantragte unter dem 5.6.2008 die Ausstellung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Mit Beschluss vom 7.1.2009 kündigte das AG die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses nach Antrag an. Dagegen legten u.a. die Beteiligten zu 11, 13 und 15 bis 17 am 26.1.2009 Beschwerde ein. Eine Entscheidung ist bisher nicht ergangen.
2. Die Beteiligte zu 7 beantragte mit bei Gericht am 19.10.2009 eingegangenen Schreiben vom 14.10.2009 die Entlassung des Beschwerdeführers als Testamentsvollstrecker. Mit Beschluss vom 4.8.2010 entließ das AG den Beschwerdeführer aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker. Die hiergegen am 26.8.2010 eingelegte "sofortige Beschwerde" nahm er mit Schriftsatz vom 14.4.2011 zurück. Mit Beschluss vom 30.6.2011 hat der Senat angeordnet, dass der Beschwerdeführer die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 8 im Beschwerdeverfahren zu tragen hat (AZ: 31 Wx 256/10).
3. Mit Schriftsatz vom 25.5.2011 an das AG beantragte die Beteiligte zu 8, dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens "zur Entlassung als Testamentsvollstrecker ... ganz" aufzuerlegen. Mit dem eingangs zitierten Beschluss vom 17.8.2011 ordnete das AG an, dass "der Beteiligte R. L. die Kosten des Verfahrens zu tragen habe". Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II. Die Beschwerde hat Erfolg, soweit der Senat zur Entscheidung über den Beschwerdegegenstand berufen ist. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Vorlagebeschlusses.
1. Ausweislich des Rubrums der Ausgangsentscheidung, aber auch des Nichtabhilfebeschlusses des AG vom 29.11.2011 ist dieses der Auffassung, dass über die Frage der Kostentragungspflicht im Verfahren auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses und im Verfahren auf Entlassung als Testamentsvollstrecker gleichzeitig entschieden werden kann. Diese Auffassung teilt der Senat nicht, soweit sie auf der Annahme basiert, dass die Verfahren identisch seien und die Kostenentscheidung daher zwangsläufig in beiden Verfahren gleich ausfallen müsse.
Bereits das LG Traunstein hat das AG mit Beschluss vom 5.11.2010 in Verfahren 4 T 3717/10 darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Verfahren betreffend die Entlassung des Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB um ein eigenständiges Verfahren handelt. Das ergibt sich u.a. aus Art. 111 Abs. 2 FGG-RG. Die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen war oder ist, ist dagegen ein weiteres Verfahren, das nichts mit der gesondert zu beantwortenden Frage zu tun hat, ob er als Testamentsvollstrecker zu entlassen ist (OLG München NJW-RR 2010, 1381). Denn ggf. muss auch nach Beendigung des Amtes als Testamentsvollstrecker ein mit einem Vermerk über die Beendigung des Amtes versehenes Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt werden (vgl. OLG Stuttgart, OLGZ 1979, 387 [388]).
Gebührenrechtlich ergibt sich dies aus § 115 KostO, weil mangels eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Ernennung und Entlassung des Testamentsvollstreckers sowie der Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses keine Gebührenidentität besteht. Demnach ist über die Frage der Kostentragungspflicht in beiden Verfahren jeweils gesondert zu befinden, wenn auch die Entscheidung im Ergebnis identisch ausfallen kan...