Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltskosten: Erstattungsfähigkeit einer Verfahrensgebühr bei Berufungserwiderung in Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Berufungsrücknahme
Leitsatz (amtlich)
Wenn der Berufungsbeklagte nach Rücknahme der bereits begründeten Berufung einen Schriftsatz einreicht, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, ist die dadurch entstandene volle Verfahrensgebühr erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozessbevollmächtigten zum Zeitpunkt der die Gebühr auslösenden Tätigkeit bekannt war oder bekannt sein musste, dass das Rechtsmittel bereits zurückgenommen worden war.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1; RVG-VV Nr. 3200
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 27.03.2009; Aktenzeichen 11 O 7271/08) |
OLG München (Aktenzeichen I 28 U 5564/08) |
Tenor
I. Unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des LG München I vom 27.3.2009 in der Fassung von Ziff. 1. des Beschlusses vom 14.5.2009 werden die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten der II. Instanz auf 737,80 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.1.2009 festgesetzt.
II. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Wert der Beschwerde beträgt 223,12 EUR.
IV. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hatte gegen das seine Klage abweisende Endurteil des LG München I vom 7.11.2008 mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 10.12.2008 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung vom 22.12.2008 ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 30.12.2008 zugestellt worden. Das Berufungsgericht hat mit Verfügung vom 5.1.2009 der Beklagten eine Frist zur Erwiderung auf die Berufungsbegründung bis zum 5.2.2009 gesetzt und die Parteien u.a. darauf hingewiesen, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch - wie bereits vom LG entschieden - verjährt sein dürfte. Mit Schriftsatz vom 12.1.2009, der am selben Tag beim OLG München eingegangen und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 16.1.2009 zugestellt worden ist, hat der Kläger seine Berufung zurückgenommen. Mit Beschluss vom 14.1.2009 hat das OLG München dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt und dessen Streitwert auf 6.438,19 EUR festgesetzt. Mit Schriftsatz vom 13.1.2009, der am 15.1.2009 bei dem OLG eingegangen ist, haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mitgeteilt, dass sie diesen auch in der Berufungsinstanz vertreten und in der mündlichen Verhandlung die Zurückweisung der Berufung beantragen würden. Zur Begründung haben sie auf die Hinweise des Berufungsgerichts vom 5.1.2009 Bezug genommen. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Beklagte Anwaltskosten i.H.v. 737,80 EUR geltend gemacht (1,6 Verfahrensgebühr i.H.v. 600 EUR, zzgl. Post- und Telekommunikationspauschale i.H.v. 20 EUR und 19 % Mehrwertsteuer). Das LG hat mit Beschluss vom 27.3.2009 in der Fassung von Ziff. 1. des Beschlusses vom 14.5.2009 die von dem Kläger an die Beklagte zu erstattenden Kosten der II. Instanz auf 514,68 EUR festgesetzt, wobei nur eine 1,1 Verfahrensgebühr i.H.v. 412,50 EUR berücksichtigt worden ist mit der Begründung, mit dem Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 13.1.2009 sei der Antrag auf Zurückweisung der Berufung lediglich angekündigt worden.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, der Rechtspfleger habe zu Unrecht an Stelle der beantragten 1,6 Verfahrensgebühr nur eine 1,1 Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3201 VV-RVG festgesetzt. Die 1,6 Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 3200 VV-RVG entstehe dann, wenn der Rechtsanwalt einen Schriftsatz bei Gericht einreiche, der Sachvortrag oder einen Sachantrag enthalte. Dies treffe auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 13.1.2009 zu. Die Ermäßigung von einer 1,6 Gebühr auf eine 1,1 Gebühr gemäß der Nr. 3201 VV-RVG würde voraussetzen, dass eine vorzeitige Beendigung des Auftrags vorgelegen habe. Dies sei hier vor der Einreichung des Schriftsatzes vom 13.1.2009, der Sachanträge enthalte, nicht der Fall gewesen. Wenn der Auftrag des Rechtsanwalts - wie hier - auf andere Weise als durch Kündigung oder Mandatsniederlegung beendet werde, sei auf die Kenntnis des Rechtsanwalts abzustellen. Die Beklagtenvertreter hätten erst mit der Zustellung am 16.1.2009 Kenntnis von der Rücknahme der Berufung und dem Beschluss des OLG vom 14.1.2009 erlangt. Die 1,6 Verfahrensgebühr sei auch erstattungsfähig, da die Berufung zum Zeitpunkt der Ankündigung der Sachanträge bereits begründet gewesen sei.
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO) und auch begründet.
1. Mit der Einreichung des Schriftsatzes vom 13.1.2009 ist für die Prozessbevollmächtigten des Beklagten die 1,6 Verfahrensgebühr nach der Nr. 3200 VV-RVG i.H.v. 600 EUR angefallen. Wie sich nämlich aus der Nr. 3201 Anm. Nr. 1 VV-RVG ergibt, erhält der Rechtsanwalt die volle Verfahrensgebühr, wenn er einen Schriftsatz eingereicht hat, der einen Sachantrag oder Sa...