Leitsatz (amtlich)

Zum Recht auf Grundbucheinsicht eines Pressevertreters nach Darlegung des Einsichtsinteresses (hier bejaht für Recherchen über dingliche Berechtigung an einem von einer Skinheadgruppe genutzten Grundstück).

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1 S. 2; GBO § 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Memmingen - Grundbuchamt (Beschluss vom 09.06.2016; Aktenzeichen Slg. 163/16)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des AG Memmingen - Grundbuchamt - vom 9.6.2016 aufgehoben.

II. Das AG Memmingen - Grundbuchamt - wird angewiesen, dem Antragsteller Einsicht in das Erbbaugrundbuch von Buxach Bl. 684 - erste bis dritte Abteilung - durch Erteilung einer einfachen (unbeglaubigten) Abschrift zu gestatten.

 

Gründe

I. Unter Vorlage eines entsprechenden Ausweises als Vertreter der Presse bat der Beteiligte unter dem 4.5.2016 das Grundbuchamt um Auskunft über den derzeit eingetragenen Eigentümer eines bestimmten Grundstücks. Zur Begründung trug er vor:

Ihm seien in den vergangenen Wochen Informationen zugegangen, nach denen der Eigentümer gewechselt habe. Inzwischen sei die (auf dem Grundstück befindliche) "Hütte" an die neonazistische Organisation "V." übergegangen. Diesen Verdacht wolle er überprüfen, dazu brauche er Klarheit über die aktuellen Eigentumsverhältnisse. Die aufgeworfene Frage sei von erheblichem öffentlichem Interesse. Der Verfassungsschutz führe die extrem rechte Skinheadgruppierung als Beobachtungsobjekt.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle teilte dem Antragsteller am 11.5.2016 mit, dass die von ihm genannte Organisation in dem Blatt des bezeichneten Grundstücks weder als Eigentümer noch sonst irgendwie als Berechtigter eingetragen sei. Eine weiter gehende Auskunft könne nach derzeitigem Stand nicht erteilt werden. Er solle Namen von Mitgliedern der bezeichneten Gruppierung mitteilen, um so prüfen zu können, ob eventuell eines der Mitglieder Erwerber des Grundstücks sei. Die bezeichnete Vereinigung sei offenbar keine rechtsfähige Organisation, so dass eine personelle Zuordnung zu den im Grundbuch eingetragenen Berechtigten nicht möglich sei.

Der Antragsteller bestand mit Schreiben vom 24.5.2016 weiterhin auf Auskunft. Es gehe weder darum, ob die Organisation eingetragen sei, noch darum, ob eine im Grundbuch eingetragene Person deren Mitglied sei oder nicht. Aus den Eintragungen - auch etwaiger Berechtigungen - werde für ihn gegebenenfalls ersichtlich, ob die fragliche Gruppierung involviert sei.

Unter dem 30.5.2016 lehnte der Urkundsbeamte eine Einsichtnahme ab. Zum Rechercheinteresse habe der Beteiligte trotz entsprechender Aufforderung keinen konkreten Bezug zwischen dem betreffenden Grundstück und der Vereinigung "V." hergestellt.

Auf das aufrecht erhaltene Gesuch in Form der Erteilung eines Grundbuchauszugs hat das AG - Rechtspfleger - mit Beschluss vom 9.6.2016 die begehrte Einsicht abgelehnt. Mangels näherer Angaben sei nicht zu erkennen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Organisation "V." und einer in dem nämlichen Grundbuch eingetragenen Person bestehe. Mit den bislang gemachten Angaben könne im Prinzip Auskunft aus jedem beliebigen Grundbuch verlangt werden. Weil kein ausreichender Zusammenhang zwischen "V." und dem Grundbuch von B. hergestellt worden sei, sei das in § 12 GBO geforderte berechtigte Interesse nicht genügend dargelegt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 15.6.2016, der das Grundbuchamt am 16.6.2016 nicht abgeholfen hat.

Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller auf Hinweise des Senats noch vorgebracht, dass sich zwischenzeitlich gravierende tatsächliche Gesichtspunkte ergeben hätten, wonach die Gruppierung das Gebäude nutze. Es gehe ihm um die Klärung der Frage, ob das (auf dem Grundstück befindliche) Gebäude - beschrieben als Schenke am Rand einer Kleingartenanlage - lediglich im Rahmen eines privatwirtschaftlichen Verhältnisses überlassen werde oder tatsächlich von Mitgliedern selbst gekauft worden sei.

Sein Interesse richte sich auch auf Eintragungen in der zweiten Abteilung; die Stadt M. wolle als Eigentümerin des Grundstücks gegen die Veräußerung des Gebäudes vorgehen und berufe sich auf im Grundbuch eingetragene Rechte; das würde er gerne prüfen. Schließlich interessiere ihn die dritte Abteilung, um abschätzen zu können, welche wirtschaftliche Bedeutung das Anwesen für die Gruppe habe. So stehe etwa die Verweigerung einer Ausschanklizenz im Raum, was im Fall von Belastungen auf dem Gebäude gravierende Finanzierungsprobleme für den Käufer nach sich ziehen könnte.

II. Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

1. Gegen die Versagung von Grundbucheinsicht durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG) ist die Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO; § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO) und auch im Übrigen gemäß § 73 GBO zulässig. Der Beteiligte beruft sich unter Vorlage seines aktuellen Presseausweises auf das privilegierte presserechtliche Informationsinteresse zu bestimmten Recherchezwecken. Die Beschwerdebefugnis steht ins...

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