Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Kabelweitersendung durch Internet-Videorecorder - YouTV
Leitsatz (amtlich)
1. Die Weiterleitung von Rundfunkprogrammen an Online-Videorecorder ist eine Weitersendung iSd §§ 87 I, 20 UrhG.
2. Die Weitersendung von Fernsehprogrammen an Online-Videorecorder ist schon deswegen keine Kabelweitersendung iSd §§ 20b, 87 V UrhG, weil zu den Nutzern keine vollständigen Programme weitergesendet werden, sondern nur die einzelnen zur Aufzeichnung bestellten Sendungen. Entsprechende "Rosinenprogramme" sind unvollständig.
3. Damit steht den Betreibern von Online-Videorecordern gegen Sendeunternehmen kein Anspruch auf Abschluss eines Lizenzvertrages gem. § 87 V UrhG zu.
4. Werden lediglich einzelne Werke oder ein unvollständiges Programm und nicht das Programm als solches bzw. die in ein Programm eingebetteten Sendungen per Kabel an eine Öffentlichkeit weitergeleitet, liegt eine Kabelweitersendung nicht vor.
5. Eine Kabelweitersendung (§ 87 Abs. 5, § 20b UrhG) setzt voraus, dass eine Weiterübertragung der empfangenen Sendesignale auf der gesamten relevanten Übertragungsstrecke (von der Empfangsantenne bis zum individuellen Speicherplatz des Kunden) kabelgebunden erfolgt; das Betreiben einer solchen Kabelweitersendung kann nicht festgestellt werden, wenn nicht dargetan ist, dass das Sendesignal über die gesamte relevante Strecke bis zu den Kundenfächern auf dem File-Server via Kabelsystem weitergeleitet wird.
Tenor
1. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zutragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin der Beklagten gegenüber zum Abschluss eines Lizenzvertrages über Kabelweitersendung gemäß §§ 87 Abs. 5, 20b Urheberrechtsgesetz (UrhG) verpflichtet ist.
Die Klägerin ist ein Sendeunternehmen. Sie strahlt das Fernsehprogramm "R" aus - Die Beklagte bietet fernsehbezogene Dienstleistungen über das Internet an, unter anderem auf der Internet-Seite "unter der Bezeichnung "YouTV" (bzw. "YouTV aktuell", nachfolgend nur"YouTV"; vormals "Shift.TV") einen "internetbasierten Persönlichen Videorecorder" (PVR) zur Aufzeichnung von Fernsehsendungen.
Die Beklagte empfängt über Satelliten-Antennen die in Deutschland frei empfangbaren Sendesignale mehrerer Sendeanstalten, darunter das Programm der Klägerin. Ein bei der Beklagten registrierter Kunde kann nach Eröffnung eines Nutzerkontos aus diesen Programmen über eine elektronische Programmzeitschrift Sendungen auswählen, unter anderem solche aus dem Programm "R" der Klägerin. Die Sendungen werden auf dem PVR des Kunden abgespeichert. Dabei handelt es sich um einen Speicher Platz bestimmter Größe auf dem Festplattenverbund der Beklagten, der ausschließlich diesem Kunden zugewiesen ist. Die ausgewählten Sendungen werden nutzerindividuell auf dem Aufnahmeserver aufgezeichnet und anschließend in ein nutzerindividuelles Verzeichnis auf dem "Storage Cluster" der Beklagten verschoben (vgl. die zeichnerischen Darstellungen der Klägerin, Klageschrift S. 7 = Bl. 7 d.A. sowie der Beklagten, Klageerwiderung S. 26 = Bl. 45 d.A.). Von dort kann der Nutzer die auf dem PVR aufgezeichneten Sendungen über das Internet von jedem Ort auf der Welt und zu jeder Zeit beliebig oft ansehen.
Die Klägerin geht gegen das streitgegenständliche Angebot "Shift.TV" (nunmehr "You TV"; letzteres unterscheidet sich von "Shift.TV" dadurch, dass die Aufzeichnung der Fernsehprogramme nicht nach den Vorgaben der Nutzer erfolgt, sondern bei 44 Programmen der Klägerin, unter ihnen "R", für sämtliche Nutzer aufgezeichnet und diesen für bis zu 7 Tage zum Abruf zur Verfügung gestellt werden) der Beklagten seit 2005 vor. Ihrer unter anderem auf Unterlassung wegen vermeintlicher Verletzung des ihr als Sendeunternehmen zustehenden urheberrechtlichen Leistungsschutzrechts aus § 87 Abs. 1 UrhG gegen die Beklagte gerichteten Klage hat das Landgericht Leipzig mit Urteil vom 12.05.2006 - 5 O 4391/06 im Wesentlichen stattgegeben, die hiergegen von der Beklagen eingelegte Berufung hat das OLG Dresden zurückgewiesen (Urteil vom 28.11.2006 - 14 U 1071/16). Nach Aufhebung dieser Entscheidung und Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22.04.2009 (GRUR 2009,845 - Internet-Videorecorder I, Anl. K 3) hat das OLG Dresden im wiedereröffneten Berufungsverfahren mit Urteil vom 12.07.2011 - 14 U 1071/06 (Anl. K 4) festgestellt, dass die Weitersendung des Programms "R" bei "Shift.TV" das Senderecht der Klägerin verletze. Mit Urteil vom 11.04.2013 (GRUR 2013,618 - Internet-Videorecorder II, Anl. K 5) hat der Bundesgerichtshof diese Entscheidung erneut aufgehoben und zurückverwiesen. Dem OLG Dresden wurde aufgegeben, aufzuklären, ob es sich bei der Weitersendung des Programms "R" bei "Shift.TV" um eine Kabelweitersendung im Sinne von §§ 20b, 87 Abs. 5 UrhG handle und ob der Beklagten (des dortigen und des hiesigen Rech...