Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kontrahierungszwang hinsichtlich IPTV-Dienste
Leitsatz (amtlich)
§ 87 Abs. 5 S. 1 UrhG kann nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass auch hinsichtlich IPTV-Dienste ein Kontrahierungszwang besteht. (Rn. 25 - 32)
Normenkette
UrhG § 87 Abs. 5
Tenor
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den nachstehenden Hinweisen einschließlich des Teilvergleichsvorschlags bis zum 03.11.2023.
Gründe
A. Die Parteien streiten wegen der Weitersendung von Rundfunk und Fernsehprogrammen.
Die Klagepartei, gegründet im Jahr 1994, ist ein regionaler Netzbetreiber für die Weitersendung im Raum K., B. und A. Sie ist eine 100-prozentige Tochter der G. K. AG, an der die S.werke K. zu 90% und die Stadt K. zu 10% beteiligt sind.
Die Klagepartei betreibt zum einen ein eigenes Breitbandkabelnetz als sogenanntes HFC-Netz (Hybrid-Fiber-Coax-Netz bzw. Koaxialnetz). Hieran angeschlossen sind rund 250.000 Kunden und zusätzlich 16.000 Kunden über die konzernverbundene N.A.AG. Das Netz ist rückkanalfähig; es ermöglicht gleichzeitig den Anschluss von Telefon und Internet sowie Fernseh- und Rundfunkempfang in digitaler und analoger Qualität. Die Übertragung der Rundfunk- und Fernsehprogramme erfolgt insoweit über DVB-C-Signal (Digital Video Broadcasting Cable). Die Weitersendung im HFC-Netz erfolgte zunächst im SimulcastVerfahren, d.h., die Signale wurden zunächst sowohl in analoger als auch digitaler Qualität weitergesendet. Seit Beginn des Jahres 2019 werden die Signale nur noch in digitaler Qualität gesendet. Die DVB-C-Signale werden sowohl in HD-Qualität übermittelt (verschlüsselt) als auch in SD-Qualität (unverschlüsselt). Es handelt sich insoweit um klassisches Kabelfernsehen im herkömmlichen Sinn.
Zum anderen betreibt die Klagepartei ein eigenes Glasfasernetz. Dieses Netz hat eine Länge von rund 26.500 km und bedient ca. 258.000 Kunden. Es handelt sich um ein geschlossenes proprietäres Netz. Über dieses Netz werden Telefon- und Internetanschluss angeboten. Zusätzlich bietet die Klagepartei ihren Kunden die Übermittlung von Fernsehen über dieses Netz an. Fernsehen wird dabei von der Beklagten stets nur im Kombiangebot mit Telefon- und/oder Internetanschluss angeboten, nicht aber als alleinstehendes, selbständiges Angebot. Die TV-Signale werden im Internet-Protocol-Standard übertragen. Die Übertragung erfolgt allein im geschlossenen proprietären Netz der Klägerin über die Anschlüsse der Kunden. Das Signal ist ein IP-Stream. Die Klagepartei bezeichnet diese Art der Weitersendung von Fernsehprogrammen als IPTV. Allein diese Form der Weitersendung steht vorliegend zwischen den Parteien im Streit.
Vom IPTV grenzt die Klagepartei sogenannte OTT-Dienste (Over-the-top) - zum Beispiel w. Tv und Z. - ab. OTT-Dienste werden, anders als das von der Klagepartei betriebene IPTV, nicht über ein geschlossenes proprietäres Netz betrieben. Vielmehr nutzen sie das offene Internet für die Signalweitergabe und sind nicht an einen speziellen Internet-Service-Provider gebunden.
Die Klagepartei ist Mitglied des A. Verband D. Kabelnetzbetreiber e.V (im Folgenden "A."). Der A. ist ein Branchenverband, der die Interessen von mehr als 200 Unternehmen der deutschen Breitbandbranche vertritt. Die überwiegende Zahl der A.-Mitglieder betreibt ausschließlich Weitersendung mittels DVB-C.
Die Beklagten sind Sendeunternehmen. Sie senden die Free-TV-Programme R. SD, V. SD, R. II SD, Super R. SD, n. SD und N. SD (von den Parteien bezeichnet als "R. SD-Programme") sowie die Free-TV-Programme R. HD, V. HD, R. II HD, Super R. HD, n. HD und N. HD (von den Parteien bezeichnet als "R. HD-Programme"); zusammengefasst werden die R. SD-Programme und die R. HD-Programme von den Parteien als "R. Programme" bezeichnet. Beim Free TV Programm R. SD handelt es sich um ein sogenanntes "Must-Carry-Programm".
Bis Ende des Jahres 2015 verfügte die Klagepartei jedenfalls hinsichtlich der Weitersendung über DVB-C (in Bezug auf die Übermittlung von IPTV ist dies zwischen den Parteien umstritten) über die erforderlichen Rechte auf der Grundlage eines zwischen dem A. und der V. Media bestehenden Gesamtvertrags. Bei der V. Media - nunmehr C. M. GmbH - handelt es sich um eine Verwertungsgesellschaft auf Seiten der Sendeunternehmen. Die Beklagten waren zunächst Mitglieder der V. Media, beendeten die Mitgliedschaft aber mit Wirkung vom 31.12.2015. Für die Weitersendung der DVB-C-Signale in HD-Qualität verfügt die Klagepartei seither über die Rechte aufgrund einer Sublizenz mit der M. Group SA, nunmehr C.+ L. SARL.
Die Rechte zur Weitersendung von IPTV in SD-Qualität (unverschlüsselt) und in HD-Qualität (verschlüsselt) sind der Klagepartei aufgrund einer Sublizenz mit Z. E. AG eingeräumt.
Keine Lizenz hat die Beklagte bezüglich der Weitersendung von DVB-C-Signalen in SD-Qualität.
Im Hinblick auf das Ausscheiden der Beklagten aus der VG M. nahm der A. mit den Beklagten im Jahr 2015 Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrags über die Weitersendung auf. An den...