Leitsatz (amtlich)

1. Heranziehung von anderen Erfahrungswerten (hier: Ladenmieten) zur Bestimmung des marktüblichen Mietzinses für eine Gaststätte, wenn geeignete Vergleichsobjekte fehlen.

2. Rückschluss auf verwerfliche Gesinnung, wenn der Mietzins für eine Gaststätte um knapp 100 % oder mehr über dem maßgeblichen Vergleichswert liegt und weitere Gesichtspunkte hinzutreten.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 812

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 8 O 1034/99)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des LG München II, 8. Zivilkammer, vom 22.11.2001 wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

1. Unter Aufrechterhaltung der Klageabweisung im Umfang des landgerichtlichen Urteils sowie der Kostenentscheidung erster Instanz wird der Beklagte verurteilt, an die Kläger 64.236,20 Euro nebst 4 % Zinsen p.a. hieraus ab 4.4.2002 zu zahlen.

2. Im Übrigen ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 83.000 Euro abwenden, wenn nicht die Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines als „Pachtvertrag” bezeichneten Mietvertrages über eine Gaststätte, die der Beklagte im August/September 1996 bei einer Zwangsversteigerung erworben hat.

I. Der Rechtsstreit hat ursprünglich mit einer Klage des früheren Zwangsverwalters begonnen, der von den Klägern (damals die Beklagten) Zahlung von Nebenkosten verlangt hat. Die Kläger, die damaligen Beklagten, haben Widerklage erhoben und vom Zwangsverwalter und dem jetzigen Beklagten als Drittwiderbeklagten Rückzahlung zuviel gezahlter Miete verlangt. Der Zwangsverwalter ist nach Abtrennung der Drittwiderklage durch Vergleich aus dem Rechtsstreit ausgeschieden. Dieser wird von den Widerklägern und dem Drittwiderbeklagten fortgesetzt. Die Widerkläger werden nunmehr als Kläger und der Drittwiderbeklagte als Beklagter bezeichnet.

Das Mietverhältnis bezieht sich auf eine Gaststätte in St., K.-W.-Straße 2. Die Gaststätte liegt im Erdgeschoss einer Teil-/Wohnungseigentumsanlage, die im Jahre 1979 errichtet wurde. Sie ist 144 qm groß. Zu ihr gehören ein im Hof gelegenes Lagergebäude mit ca. 17 qm, ein Kühlkeller mit ca. 9 qm und ein weiterer Kellerraum von ca. 32 qm, ferner 3 Doppelstockabstellplätze für Pkws in der Tiefgarage. Das Teileigentum ist mit einer Dienstbarkeit für die H.-P.-Bräu AG belastet; die Dienstbarkeit sichert das Recht ab, dass Biere und Getränke, soweit solche von der Brauerei H.-P. produziert werden, nur von dieser Brauerei bezogen und in der Gaststätte vertrieben werden dürfen. Die ersten Eigentümer waren die Eheleute N. Diese richteten die Gaststätte ein und betrieben sie als Weinlokal, bis sie das Teileigentum 1988 an den Zeugen Sch. verkauften, der es durch seine Tochter betreiben ließ. Am 14.12.1989 verkaufte Sch. die Gaststätte einschließlich des Inventars an die Eheleute M. Herr M. „verpachtete” die Gaststätte am 20.3.1990 mit einem notariell beurkundeten Vertrag an den Italiener D.T. Die Pachtzeit wurde mit 10 Jahren (ab 1.4.1990 bis 31.3.2000) fest vereinbart, wobei dem Pächter die Option zustehen sollte, einmal die Pachtzeit um 5 Jahre zu verlängern. Es wurde ein „Pachtzins” von monatlich 7.000 DM zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart. Dieser sollte sich alle 2 Jahre um 500 DM netto erhöhen, erstmals zum 1.4.1992. Neben dem „Pachtzins” hatte der Pächter alle Nebenkosten i.S.d. § 27 der 2. Berechnungsverordnung zu tragen. Der Pächter hatte zudem „die laufende gewöhnliche Instandsetzung sowie die Schönheitsreparaturen” zu tragen. Er sollte eine Kaution von 30.000 DM in Form einer Bankbürgschaft erbringen. Im Vertrag wurde auf die Dienstbarkeit der H.-P.-Bräu AG hingewiesen und dem Pächter die Verpflichtung auferlegt:

„Es ist allein seine Sache, dieses Verbot durch einen entsprechenden Vertrag mit der Brauerei für die Laufzeit des Pachtvertrages außer Kraft zu setzen. Bei einem Verstoß gegen diese Dienstbarkeit haftet der Pächter gegenüber der H.-P.-Brauerei einerseits und gegenüber dem Verpächter andererseits.”

Pachtgegenstand waren laut Vertrag die Gaststättenräume, die zu der Gaststätte gehörenden Lager-, Kühl- und Kellerräume, „2 Pkw-Abstellplätze im Hof” und die zur Gaststätte gehörenden Doppelstocktiefgaragenplätze. An den genannten Pkw-Plätzen im Hof steht dem Eigentümer der Gaststätte kein Sondernutzungsrecht zu. Vor der Gaststätte befindet sich zwischen Hausfront und Straße eine ca. 44 qm große gepflasterte Fläche. Diese gehört ebenfalls nicht zum Sondereigentum des Beklagten und war deshalb nicht Gegenstand des Pachtvertrages. Die Wohnungseigentümergemeinschaft duldet, dass bei entsprechender Witterung einige Tische dort aufgestellt und von Gästen genutzt werden.

Nicht Gegenstand der Pacht war das gesamte Inventar der Gaststätte. Dieses hatte der Pächter käuflich zu erwerben. Der ...

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