Entscheidungsstichwort (Thema)

Fahrzeugkaufvertrag: Schadenersatzanspruch aufgrund der Behauptung unzulässiger Abschalteinrichtungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein klagender Fahrzeugkäufer muss darlegen und beweisen, dass es sich bei dem im Motor des Typs EA 288 verwendeten Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt bzw. diese zum Motorschutz nicht notwendig ist. (Rn. 33)

2. Hat die zuständige Behörde auch nach mehrfacher durchgeführter Prüfung keine unzulässige Abschalteinrichtung festzustellen vermocht, kann nicht von einem wirtschaftlich nachteiligen Vertragsschluss ausgegangen werden. (Rn. 34)

3. Eine bloße Prüfstandserkennung genügt zur Begründung einer sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB nicht, solange dies keine unterschiedlichen Auswirkungen auf das Emissionsverhalten des Motors im Prüfstand einerseits und im realen Fahrbetrieb andererseits hat. (Rn. 37)

 

Normenkette

BGB § 826; Verordnung (EG) Nr. 692/2008 Art. 5 Abs. 11; EGV 715/2007

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 25.08.2020; Aktenzeichen 3 O 4218/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 25.08.2020, Az. 3 O 4218/20, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 12.01.2017 bei der ... den streitgegenständlichen VW T6 Transporter Kombi 2,0 I TDI und Euro-Abgasnorm EU 6 als Gebrauchtwagen zu einem Preis von 30.890,00 EUR mit Erstzulassung 28.10.2015. Der Erwerb wurde teilweise über Darlehen finanziert. Im Übrigen hatte die Klagepartei eine Anzahlung in Höhe von 10.000,00 EUR geleistet. Die Beklagte ist Entwicklerin und Herstellerin dieses PKW. Eingebaut in das Fahrzeug ist ein Dieselmotor der V. AG des Typs EA 288. Er verfügt über Technologien zur Reduktion des Stickoxidausstoßes (NOx). So kommen ein Ad-Blue betriebener SCR-Katalysator sowie eine sog. Abgasrückführung (AGR) zum Einsatz. Die Abgasrückführungsrate wird bei kühleren Temperaturen in Abhängigkeit mit Außenlufttemperaturen zurückgefahren ("Thermofenster").

Der Kläger begehrte erstinstanzlich Schadensersatz gegen die Beklagte in Gestalt der Rückabwicklung des Kaufvertrages vom 12.01.2017 über das streitgegenständliche Fahrzeug. Er stützt sein Begehren auf den Einsatz vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen in Gestalt einer sog. Umschaltlogik sowie in Form eines sog. Thermofensters.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 25.08.2020 der Klage überwiegend stattgegeben und einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB aufgrund des Einsatzes einer temperaturgesteuerten Emissionsregulierung (umgangssprachlich auch unter dem Stichwort "Thermofenster" bekannt) bejaht.

Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I, Az.: 3 O 4218/20, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Das im streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kommende Thermofenster stelle schon keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Es erfülle schon nicht den Tatbestand einer Abschalteinrichtung, da es im Normalbetrieb und während der in Europa herrschenden Temperaturen aktiv ist. Die entsprechenden Darlegungen der Beklagten habe das Landgericht fehlerhaft eingeordnet. Außerdem habe es fehlerhaft bewertet, dass dem Kraftfahrtbundesamt, mithin der zuständigen Regulierungsbehörde, die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters bekannt war und keine Beanstandungen seitens des Kraftfahrtbundesamtes gegenüber der Beklagten erfolgten. Eine von der zuständigen Behörde als zulässig eingestufte Ausgestaltung könne nicht den Umstand einer sittenwidrigen Schädigung begründen, schon gar nicht ein "planmäßiges Verschleiern" der Beklagten darstellen.

Soweit das Landgericht von der Erheblichkeit der konkreten Ausgestaltung ausgegangen ist und diese für entscheidungserheblich gehalten hat, so hätte es zumindest eine Beweisaufnahme zur konkreten Ausgestaltung des im streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kommende Thermofenster durchführen müssen, was rechtsfehlerhaft unterblieben sei. Hätte das Landgericht eine Beweisaufnahme angeordnet, so hätte ein Sachverständiger die allgemeine Notwendigkeit der temperaturgesteuerten Emissionsregulierung verdeutlicht.

Dass eine temperaturgestützte Emissionsregulierung nicht automatisch unzulässig sei und den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung begründe, haben bereits eine Vielzahl an Oberlandesgerichten, insbesondere auch mehrere Senate des hier zuständigen Oberlandesgerichts München, zutreffend entschieden.

Der Kläger habe eine Täuschungshandlung d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge