Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkrete Angabe der Zahlung eines Geschäftsführers nach Insolvenzreife genügt für Rückforderung

 

Normenkette

ZPO §§ 139, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; HGB § 130a Abs. 3 S. 1; GmbHG § 64 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 14.09.2007; Aktenzeichen 14 HKO 1877/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 21.06.2010; Aktenzeichen II ZR 246/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG München I vom 14.9.2007 samt der zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit die Klage in einem 90.330,70 EUR übersteigenden Betrag abgewiesen wurde.

Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger fordert als Insolvenzverwalter der T. H. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) von den Beklagten als deren vormaligen Geschäftsführern nach § 130a HGB die Erstattung von Zahlungen der Gemeinschuldnerin, die nach Eintritt der Insolvenzreife getätigt worden sein sollen.

Die Gemeinschuldnerin war die Holdinggesellschaft der "K.-Gruppe". Geschäftsführende Komplementärin der Gemeinschuldnerin war die K. Vermögensverwal-tungs GmbH, die ihrerseits von den sechs Beklagten geführt wurde. Am 13.9.2002 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Gemeinschuldnerin spätestens am 5.2.2002, dem Tag nach einem Interview des Vorstandsvorsitzenden der ... Bank, in welchem dieser dem gesamten K.-Konzern die Kreditwürdigkeit abgesprochen habe, zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei. Die Gemeinschuldnerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum allenfalls noch 1 Prozent bis 5 Prozent ihrer fälligen Verbindlichkeiten, darunter insbesondere einen Gewinnauszahlungsanspruch des Beklagten zu 1) von über 186 Mio. EUR, Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen i.H.v. mehr als 530 Mio. EUR und - ab 30.4.2002 - eine Darlehensschuld ggü. der ... Bank von über 500 Mio. EUR, befriedigen können. Die Akquirierung neuer liquider Mittel sei ihr nach dem 4.2.2002 unmöglich gewesen. Darüber hinaus habe auf der Basis einer negativen Fortführungsprognose eine Überschuldung vorgelegen. Aus den SAPMonatsbilanzen der Gemeinschuldnerin ergebe sich unter Berücksichtigung dessen, dass die Finanzanlagen (Beteiligungen an Tochtergesellschaften) der Gemeinschuldnerin damals bereits wertlos gewesen seien, ein nicht durch Liquidationswerte (stille Reserven) gedeckter Fehlbetrag von über 5 Mrd. EUR. Noch nach Eintritt der Insolvenzreife seien die mit der Klage geltend gemachten Zahlungen an Dritte erfolgt.

Die Beklagten rügten in erster Instanz, vom Kläger keine Einsicht in die Geschäftsunterlagen erhalten zu haben, weswegen die behaupteten Zahlungen mit Nichtwissen bestritten werden müssten. Im Übrigen bestritten die Beklagten den Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung seit dem 5.2.2002. Außerdem hätten sie sich in der Zeit seit Februar 2002 fachkundigen konzernfremden Rat eingeholt, so dass sie - wenn überhaupt Insolvenzreife vorgelegen hätte - mangels Verschulden nicht in Anspruch genommen werden könnten.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG die Klage in vollem Umfang abgewiesen. In den Gründen der Entscheidung führt es u.a. aus, aufgrund des Umstands, dass dem Beklagten die Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen verweigert worden sei, trage der Kläger die volle und auch noch gesteigerte Darlegungslast bezüglich aller Tatbestandsmerkmale der §§ 177a, 130a HGB. Dieser Darlegungslast habe das Vorbringen des Klägers nicht genügt, insbesondere habe der Kläger den Grund der streitgegenständlichen Zahlungen nicht präzise dargelegt und auch nicht vorgetragen, warum die Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht vereinbar gewesen seien. Dieser Sorgfalt entsprochen hätten in jedem Falle die Abführung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge sowie Lohnsteuer- und Umsatzsteuerzahlungen. Aber auch im Übrigen könne die Klage mangels Angaben über den Verwendungszweck der Zahlungen keinen Erfolg haben. Hinsichtlich eines Betrages i.H.v. 2,5 Mio. EUR sei der Kläger nicht aktivlegitimiert, weil ein Rückforderungsanspruch allenfalls dem Insolvenzverwalter der K. Media GmbH & Co. KG zustehe, von der das ausgeteilte Geld letztendlich stamme. Hinsichtlich dieser Zahlung sei die Masse der Gemeinschuldnerin nicht geschädigt worden, weil ihr das Geld unmittelbar nach der Auszahlung von der K. Media GmbH & Co. KG wieder zugeführt worden sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren im Wesentlichen weiter, nicht angegriffen wird das erstgerichtliche Urteil lediglich insoweit, als es die Abführung der Arbeitnehmeranteile zu Sozialversicherungen i.H.v. 90.330,70 EUR betrifft. Der Kläger rügt insbesondere verschiedene Verfahrensfehler des Erstgerich...

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